30. Juni 2013

Gesellschaft entwickeln, Internet entdrosseln!



AntragstellerInnen: Kay Mähler, Florian Guta, Andreas Krischer, Sebastian Klick, Firat Yaksan, Kubilay Yurdakul, Simon Hölscher (aus Bonn)

In vielen Gesellschaften ist das Internet ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens geworden. Twitter, Facebook und YouTube trugen unter anderem zum ”Arabischen Frühling” bei: Viele Demonstrationen konnten so über die sozialen Netzwerke – fernab von staatlicher Zensur – organisiert werden.
Aber nicht nur in der Demokratie spielt das Internet eine wichtige Rolle. Es trägt zur Entwicklung der modernen Gesellschaft bei und prägt zunehmend die Kultur. Während wir in der realen Welt einen Trend der Kommerzialisierung erleben, werden freie Inhalte im Internet zunehmend beliebter und entwickeln sich rasant weiter.
Doch das Internet ist bedroht. Durch Drosselungen und der Auflösung von Netzneutralität, wird das Internet gezügelt und zunehmend dem kommerziellen Zweck unterlegen. Dies gilt es zu verhindern! Unsere offene Gesellschaft braucht ein offenes Internet. Dafür müssen wir die Neutralität erhalten und die Infrastruktur ausbauen.
Weg mit der Drosselung, überall!

Vor wenigen Wochen kündigte die Telekom die Einführung von Drosselungen an, sollten Nutzer*innen ein bestimmtes Datenvolumen aufgebraucht, also eine bestimmte Größe an Daten herunter- und hochgeladen haben. Der Plan des Bonner Unternehmens ist dabei kein Neuer. Die Drosselung bei Datenverträgen (1) im Mobilfunk ist gängige Praxis. Das Mittel der Einschränkung der Bandbreite (2) ist dabei oft ein Vorwand, den Netzausbau zu gewährleisten. Die Nutzer*innen haben nach einer Zahlung eines bestimmten Betrages die Möglichkeit, wieder begrenzt im Internet zu surfen. Ob mit diesen zusätzlichen Mitteln der Netzausbau tatsächlich gefördert wird, bleibt ein Rätsel.
Viel mehr ist die Drosselung eine Methode, sich den Netzausbau kurzfristig zu sparen. Sie gewährleistet den Providern, dass die bestehenden Netze nicht unter der Last zusammen brechen, die das neue digitale Leben mit sich bringt. Langfristig gesehen werden allerdings die multimedialen Geräte (3) mehr Bandbreite benötigen, um immer mehr Daten herunter zu laden, um damit den steigenden Ansprüche der Nutzer*innen zu entsprechen.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert daher:

  • Drosselungen jeglicher Art gesetzlich zu verbieten
  • eine neue Welle der staatlichen Subventionierung für den Netzausbau und der Entwicklung neuer Übertragungstechnologien (4)

Glossar

(1)    Datenverträge – Verträge, in denen Datenvolumen und Übertragungsgeschwindigkeiten für mobiles Internet festgehalten werden
(2)    Bandbreite – Kennziffer, die die Übertragungsgeschwindigkeit von Daten an einem bestimmten Anschluss zum Internet beschreibt
(3)    Multimediale Geräte – Geräte, von denen verschiedene Medien (wie Videos, Bilder oder Sonstiges) erstellt und wiedergegeben werden können. In der Regel handelt es sich hierbei um Smartphones und Tablets.
(4)    Übertragungstechnologien – Art und Weisen der Datenübertragung
 

Keine Drosselung im Festnetz!

Bereits heute gibt es Tarife für das Festnetz-Internet, die bestimmte Nutzer*innen in ihrer Verbindung einschränken. So werden Tarife in verschiedenen Breitband-Verbindungen angeboten. Je höher die Bandbreite, desto höher der Preis. Die entgegengebrachte Leistung variiert allerdings nur leicht und ist für die meisten Benutzer*innen kaum spürbar.
So nutzen viele Menschen Tarife, die eine Bandbreite in Höhe von 50.000kBit/s(5) versprechen. Damit lassen sich innerhalb einer Sekunde durchschnittlich 2 Musiktitel aus dem Internet herunterladen. In der Minute wären es so 120 Musiktitel. Viele Benutzer*innen benötigen solch eine Bandbreite nicht, da sie als Menschen an normalen Computern gar nicht in der Lage sind, Datenmassen eines Rechenzentrums(6) zu empfangen und zu verarbeiten. Auf der anderen Seite werden in den Verträgen keine Mindestgeschwindigkeiten festgehalten und garantiert. Somit sind die versprochenen Geschwindigkeiten eher theoretische Maximalwerte als alltagsnahe, kalkulierbare Werte.
Hinzu kommt die aggressive Preispolitik vieler Anbieter*innen, was dazu führt, dass die gezahlten Beiträge nicht mehr ausreichen um, neben dem dringend notwendigen Netzausbau, einen Gewinn für die Aktionär*innen(7) gewährleisten zu können. Aus dieser Situation heraus konnte nur die Entwicklung neuer Produkte und Vertragsdetails folgen, die die fehlenden Gelder von den Kund*innen wieder einfordern.
An Stelle eines maximalen Wertes an Übertragungsgeschwindigkeit, ist eine vertragliche Festhaltung von Durchschnitts- und Mindestgeschwindigkeiten notwendig. In diesem Zusammenhang müssen die Rechte der Nutzer*innen gestärkt werden.
Langfristig muss die Netzinfrastruktur(8), die zu einem Großteil mit Steuergeldern aufgebaut worden ist, in die Hände der Bürger*innen gelegt werden. Nur so kann das Internet als Raum der friedlichen Koexistenz von kommerziellen und nichtkommerziellen Angeboten gesichert werden.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert deswegen:

  • gesetzlich festzulegen, dass in den Verträgen eine Mindestgeschwindigkeit garantiert wird und auch auf die durchschnittliche Geschwindigkeit hingewiesen wird
  • die Rechte der Kund*innen für den Fall zu stärken, wenn ein Provider die vertraglich festgehaltene Bandbreite ganztägig nicht gewährleisten kann
  • das Breitbandnetz als wichtige Infrastruktur in die Hand gemeinwohlorientierter, von Bürger*innen kontrollierten, Organisationen zu geben

Glossar

(5)    50.000kBit/s – 50.000 Kilobits pro Sekunde, also 51.200.000 Bits pro Sekunde. Ein Bit speichert den Zustand Strom oder kein Strom. Daten haben unterschiedliche Größen. Weiter im Text wird ein Beispiel mit Musik-Dateien aufgeführt.
(6)    Rechenzentrum – Ein Ort, an dem viele Server stehen und mit den Nutzer*innen des Internets kommunizieren. Sie senden meistens an mehrere Nutzer*innen gleichzeitig einen Teil des Inhalts ihrer Festplatte. Auf diesen Servern werden zum Beispiel Webseiten gespeichert und können von dort aus mittels einem Browsers aufgerufen werden.
(7)    Aktionär*innen – Besitzer*innen von Anteilspapieren einer Aktiengesellschaft, also Unternehmen. Ein bestimmter Teil des Gewinns wird als Dividende an die Besitzer*innen ausgeschüttet. Die Höhe der Ausschüttung richtet sich nach dem jeweiligen Anteil an das Unternehmen.
(8)    Netzinfrastruktur – Aufbau des Internets, vergleichbar mit Straßen. Die Infrastruktur des Internets besteht aus Routern, die mit einander mittels unterschiedlicher Kabel verbunden sind.

Daten unabhängig ihrer Quelle behandeln!

Unberücksichtigt in der Daten-Zählung bis zur Drosselung bleiben die Dienste der Telekom selbst. Zum Beispiel wird das Videotheken-Angebot der Telekom vollkommen über die Festnetz-Internetleitung gewährleistet. Hierbei entstehen Übertragungen hoher Datenmengen, die allerdings nicht mitgezählt werden. Dies wird bei Konkurrenzangeboten nicht der Fall sein. Dementsprechend werden Telekom-Kunden schneller gedrosselt, wenn sie einen fremden ”Streamingdienst”(9) nutzen. Nach der Logik der Telekom, müssten die Kunden nun für die ”Entdrosselung” zahlen, was Konkurrenzangebote in Summe teurer macht und damit klar benachteiligt. Es liegt ein klarer Fall des Missbrauchs der Marktmacht vor.
Sogenannte ”managed Services” erlauben es Drittanbieter*innen Geld an die Telekom zu zahlen, um ebenfalls von der Datenzählung bis zur Drosselung unberücksichtigt zu bleiben. Dies kann langfristig das Ende des Internets wie wir es kennen bedeuten.
Heute werden alle Informationen unabhängig von ihrem Inhalt gleichberechtigt übertragen. Wenn in Zukunft Anbieter*innen für eine ausreichend schnelle Übertragung zahlen müssen, werden viele Vorteile, die das Internet bietet, verschwinden. Die Finanzierung einer privilegierten Übertragung von frei-lizensierter(10) Software und frei-lizensierten(10) Daten kann dann nicht mehr gewährleistet werden, was dazu führt, dass die nicht-kommerzielle(11) Kultur im Internet aussterben wird. Dies gilt es zu verhindern.

Die GRÜNE JUGEND NRW setzt sich dafür ein:

  • die Neutralität der Übertagung verschiedenster Inhalte gesetzlich sicher zu stellen
  • die Privatsphäre bei der Übertragung von Daten weiterhin zu gewährleisten
  • das Internet als Plattform zur Entwicklung neuer – auch nicht kommerzieller – Projekte zu erhalten und zu stärken

Glossar

(9)    Streamingdienst – Angebote im Internet, wie Facebook oder Google, werden Dienste genannt. Ein Streamingdienst bietet die Übertragung von Videos und Musik an, ohne dass diese auf dem eigenen PC gespeichert werden. YouTube ist zum Beispiel ein Streamingdienst.
(10)Frei-lizensiert – Jegliche Inhalte des Internets unterliegen einer Lizenz. Diese wahren das Urheber*innenrecht des*der Ersteller*in des jeweiligen Inhaltes. Das Urheber*innenrecht gewährleistet dem*der Ersteller*in, dass die Inhalte nicht als die eigenen verwendet werden und/oder verkauft werden, ohne das der*die Ersteller*in daran beteiligt wird. In Summe ist das Urheber*innenrecht sehr umfangreich, so dass wir den entsprechenden Artikel in Wikipedia empfehlen. Frei-lizenzierte Daten können privat kostenlos genutzt werden.
(11)nicht-kommerziell –  Für den (privaten) Gebrauch muss nichts gezahlt werden. Das Ziel des Angebotes ist nicht Profit zu erwirtschaften, sondern die Nutzer*innen zufrieden zu stellen. Es kann sich hierbei um Videos, Spiele, Software, Nachschlagewerke (z.B. Wikipedia) und vieles andere handeln.
 

Mobiles Internet als Zukunft akzeptieren!

Beim mobilen Internet(12) wird allerdings schon viel früher gedrosselt, als dies beim Festnetz der Fall sein soll. Anders als im Festnetz, haben sich Verträge mit unterschiedlichen Übertragungsgeschwindigkeiten noch nicht durchgesetzt. Allerdings wird hier die Drosselungsgrenze zum wichtigen Vertragsdetail für die Nutzer*innen von Smartphones, Tablets oder anderen multimedialen Geräten. Diese liegt oft zwischen 50 MB(13) und 5 GB(13). Durch die Neuerungen im Bereich des digitalen Zusammenlebens und der Technik, wird es immer leichter, diese Grenzen zu erreichen und zu überschreiten. Auch hier wird dem*der Kunden*Kundin die Entdrosselung gegen Geld angeboten.
Die Entwicklung von immer leistungsfähigeren multimedialen Geräten und die Verkaufszahlen anderer Computer-Technologien zeigen, dass die mobilen Netze immer wichtiger werden. Durch immer mehr Nutzer*innen und neuer Technologien werden in naher Zukunft die mobilen Netze eine wichtige und entscheidende Rolle spielen.
Aus diesem Grund ist der Netzausbau in diesem Bereich besonders wichtig. Bereits jetzt werden neue Funk-Techniken wie LTE(14) entwickelt. Aber auch hier wird durch die Drosselung die Entwicklung des gesamten Internets gedrosselt. So erreichen Nutzer*innen des LTE-Netzes oft nach wenigen Sekunden die Drosselungsgrenze, wenn sie die gesamte Bandbreite vollkommen ausnutzen würden.
Beim Netzausbau und der Entwicklung neuer Funk-Techniken darf die jeweilige biologische Aktivität nicht unberücksichtigt bleiben. Menschen, die in direkter Nähe eines Funkmastes leben, werden deutlich mehr mit Strahlen belastet, als andere. Deshalb müssen gesundheitliche Belastungen beim Bau neuer Funkmasten und in der Entwicklung neuer Übertragungstechnologien auf ein Minimum reduziert werden.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert deshalb:
höhere staatliche Subventionierungen für den Ausbau und die Entwicklung des mobilen Funknetzes, unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Belastung für anwohnende Menschen.
 
 

Glossar

(12) Mobiles Internet – Zugang zu Internet, welches vom Gerät des*der Nutzer*in ohne Festnetz gewährleistet wird. Mobiles Internet wird von Smartphones, Tabletes und sogenannten Surf-Sticks genutzt.
(13) MB & GB – Megabyte und Gigabyte, Größenangaben für eine komplette Datei. Ein Gigabyte sind 1024 Megabyte. Ein Musiktitel ist zum Beispiel durchschnittlich 3 MB groß.
(14) LTE – Long Term Evolution, auch bekannt als 4G. LTE ist eine Übertragungsart, die eine Bandbreite vergleichbar mit dem Festnetz gewährleisten soll. Andere Mobilfunk-Technologien übertragen Daten wesentlich langsamer.
 

Freies und gleichberechtigtes WLAN ermöglichen!

Zusätzlich müssen sich auch bestehende Gesetze ändern, die den Ausbau von bereits existierenden Funk-Technologien fördern.
WLAN(15) ist dabei eine Alternative zu den bestehenden mobilen Netzen. Allerdings sind die meisten WLAN-Netze aus gesetzlichen Gründen geschlossen und werden im öffentlichen Bereich meistens nur dann angeboten, wenn Name und Anschrift hinterlegt werden. In diesem Zusammenhang werden Anbieter*innen von freien und gleichberechtigten WLAN-Zugängen zu ”Störhafter*innen”, die für die mögliche kriminelle Nutzung der jeweiligen Nutzer*innen haften. Da die Möglichkeiten, Anonym im Internet zu surfen, immer einfacher werden, wird es in Zukunft keine Rolle mehr spielen, von wo aus die jeweiligen Menschen online gehen.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert daher:

  • eine Gesetzeslage, die das Betreiben von freien, kostenlosen und gleichberechtigten WLAN-Zugängen ermöglicht
  • den Aufbau eines öffentlichen, freien, kostenlosen und gleichberechtigten WLAN-Netzes an zentralen Orten und behördlichen Räumen staatlich zu fördern, unter Berücksichtigung des geltenden Rechts bezüglich der Privatsphäre und dem Datenschutz

Glossar

(15) WLAN – Wireless Local Area Network, Übertragungstechnologie für “zu Hause”. Wird in der Regel durch bestimmte WLAN-Router gewährleistet, also Gerätschaften, die einen kabellosen Zugang zu Netzwerken gewährleisten. WLAN eignet sich nicht als Standard für mobiles Internet, da dessen Reichweite nur wenige Meter beträgt und extrem störungsempfindlich (wie zum Beispiel durch Wände) ist. Wenn allerdings eine WLAN-Verbindung besteht, ist die Übertragungsgeschwindigkeit mit dem normalen Festnetz vergleichbar.

Beschlussfassung der Landesmitgliederversammlung am 29./30. Juni in Bielefeld.



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