10. September 2012

Kohlekraft – Gefahr für das Klima oder Helfer*in der Energiewende?



Die Grüne Jugend NRW hat im letzten Dezember einen Beschluss zur Braunkohle gefasst. In diesem Beschluss sprechen wir uns klar gegen neue Braunkohlekraftwerke aus. Auf der LMV in Porta-Westfalica 2009 haben wir ebenfalls ein Moratorium für neue Kohlekraftwerke gefordert. Dennoch werden auch bei uns in NRW neue Kohlekraftwerke gebaut und in Betrieb genommen. Welche Folgen haben diese neuen Kraftwerke? Sind sie wirklich so schädlich oder sollten wir unsere Beschlusslage dazu überarbeiten?

Neue Kohlekraftwerke

Die großen vier Energieversorger, aber auch Stadtwerke, setzen weiterhin auf Kohlekraftwerke. So befinden sich neun Kraftwerke in Planung und weitere neun sind bereits im Bau. Von den geplanten Kraftwerken befindet sich ein Drittel in NRW. Vier der neun neuen Kohlekraftwerke entstehen in NRW. Allerdings gefährden die neuen Kohlekraftwerke mit ihren sehr langen Laufzeiten von bis zu 60 Jahren die Klimaschutzziele der Landes- und Bundesregierung. Allein die Kohlekraftwerke die bereits gebaut werden, werden zusammen 54 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Aber auch über den CO2-Ausstoß hinaus verursachen Kohlekraftwerke viele soziale, ökologische und gesundheitliche Probleme.

Steinkohleabbau

Die neuen Steinkohlekraftwerke werden mit Importkohle betrieben. Das bedeutet, dass die Kohle aus Ländern wie Russland (Anteil am Kohleimport 2010: ca. 30%) oder Kolumbien (ca. 20%) mit Schiffen zum Kohlekraftwerk nach NRW transportiert wird. Dies erhöht zum einen die Abhängigkeit von Erdöl sowie den Transport bedingten CO2-Ausstoß. Zum anderen lassen sich die Mitspracherechte von Einwohner*innen und Arbeiter*innen in diesen Ländern nicht mit hiesigen Standards vergleichen. So werden die Bewohner*innen mancher Gebiete, die für die Minen und die Infrastruktur benötigt werden, ohne angemessene Entschädigung von Paramilitärs gewaltsam vertrieben. Die Menschen, deren Lebensraum zerstört wird, werden noch nicht einmal von der Regierung oder den Unternehmen angehört. Auch Arbeiter*innen werden ausgebeutet: Arbeitszeiten von 12 Stunden am Tag sind die Regel. Sie leiden unter Atemwegserkrankungen sowie Hör- und Sehschäden als Folge der schlechten Arbeitsbedingungen und des unzureichenden Schutzes. Dazu kommt die mangelnde Sicherheit der Minen. 2011 kam es allein in Kolumbien zu sechs tödlichen Unfällen im Kohleabbau. Wenn sich Arbeiter*innen zusammenschließen und gewerkschaftlich organisieren wollen, werden sie eingeschüchtert und behindert. Dies geht sogar so weit, dass führende Gewerkschaftsmitglieder ermordet werden. Das hat aber nichts mit NRW zu tun oder? Falsch: Die Kohle für das Kraftwerk Datteln 4 soll beispielsweise aus Kolumbien kommen.

Braunkohleabbau

Braunkohle wird meist in Deutschland im Tagebau abgebaut. Dafür werden ganze Dörfer zwangsumgesiedelt. Orte der Erinnerung und Kindheit sowie soziale Zusammenhänge (Nachbarschaften, Klassenverbände, Vereine…) werden durch diese Umsiedlung zerstört. Viele Menschen in den betroffenen Regionen arbeiten bei RWE oder haben Verwandte die im Tagebau oder in den Kraftwerken arbeiten. Zudem unterstützt RWE die Vereine der Region. Der Konzern hat somit ein Druckmittel, um Kritiker*innen zu beeinflussen. Der Tagebau und Braunkohlekraftwerke haben darüber hinaus auch schwere gesundheitliche Folgen für die Menschen in der Umgebung. Durch das Abbaggern und Umladen von Erde und Kohle wird nach Vergleichsrechnungen, die den Tagebau Hambach mit Kohletagebauen in anderen Ländern vergleichen, pro Tag genau so viel Feinstaub freigesetzt, wie durch den gesamten Straßenverkehr in Deutschland pro Tag. Dazu kommt, dass im Tagebau die natürlich vorhandene Radioaktivität konzentriert wird. In dem Staub, der sich in den umgebenden Dörfern, zum Beispiel in Berrendorf niederschlägt, wurde eine so hohe Radioaktivität gemessen, dass dieser Staub unter die Strahlenschutzverordnung fallen müsste. Braunkohletagebaue sind jedoch pauschal von der Strahlenschutzverordnung ausgenommen.

Verbrennung der Kohle

In den Kraftwerken wird die Kohle verbrannt. Durch die Wärme wird Wasser erhitzt, welches dann eine Turbine antreibt. Über einen Generator wird schließlich Strom erzeugt. Die modernsten Kohlekraftwerke ohne Kraft-Wärme-Kopplung geben 57% der Energie als Wärme an die Umgebung ab. Es wird also nur 43% der in der Kohle enthaltenen Energie genutzt. Von diesen 43% wird nochmal Energie benötigt, um das Kraftwerk und den Kohleabbau mit Energie zu versorgen. Es wird also sehr viel Energie verschwendet.
Aber was wird bei der Verbrennung genau freigesetzt? Hauptsächlich CO2! Bei Braunkohlekraftwerken handelt es sich um etwa 1,2 kg für eine kWh, bei Steinkohlekraftwerken um „nur“ 0,9 kg. Diese Energie reicht aus, um etwa eine Stunde zu Bügeln. Die großen Braunkohlekraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier zwischen Köln, Düsseldorf und Aachen sind der größte Klimakiller Europas. Aber es werden auch andere Stoffe freigesetzt. Die Kohle enthält zum Beispiel Uran. Bei der Verbrennung der Kohle wird also auch dieses radioaktive Material freigesetzt. Im Normalbetrieb stößt ein Kohlekraftwerk daher mehr Radioaktivität aus, als ein Atomkraftwerk. Darüber hinaus werden unter anderem Quecksilber, Kohlenmonoxid, Stickoxide, Schwefeloxid und Feinstaub freigesetzt.
Quecksilber reichert sich im Ökosystem an, da es nicht von der Natur abgebaut werden kann. Es schädigt somit nicht nur den Menschen, sondern auch die gesamte natürliche Nahrungskette in der Nähe von Kraftwerken.

Was tun?

Die Schäden, die Kohlekraftwerke verursachen, betreffen sowohl die Menschen und die Natur heute als auch zukünftige Generationen. In unseren Beschlüssen fordern wir daher zurecht ein Verbot von neuen Kohlekraftwerken und ein Ausstieg nach dem Vorbild des Atomausstieg.
Aber auch ohne einen Ausstiegsbeschluss lassen sich neue Kohlekraftwerke verhindern. So hat ein SüdWestStrom, eine Stadtwerke Kooperation im Juli entschieden, dass das Kohlekraftwerk in Brunsbüttel nicht realisiert werden soll, da es nicht wirtschaftlich zu betreiben ist. In NRW sind mehrere Kraftwerke von Gerichten gestoppt worden und neue Steinkohlekraftwerke werden kaum noch vorangetrieben, da sie zu teuer sind.
Braunkohlekraftwerke werden auch in einigen Jahren ohne neue Tagebaue nicht mehr wirtschaftlich sein. Sollte allerdings eine zukünftige Landesregierung neue Tagebaue genehmigen, dann könnten auch neue Braunkohlekraftwerke wirtschaftlich betrieben werden. Die SPD fordert zur Zeit von RWE ein weiteres Kohlekraftwerk („BoA plus“) zu bauen. Solange RWE Arbeitsplätze bietet, wird die SPD seit an seit mit RWE gegen die Gesundheit der Menschen und gegen eine intakte Natur kämpfen.
Es lohnt sich dennoch – und ist umso nötiger entschlossen gegen neue Kohlekraftwerke und für die erneuerbaren Energien zu streiten. Ob mit Demos oder Infoständen, Stromwechselpartys oder Aktionen zivilen Ungehorsams. Alle zusammen können wir die Energiewende vorantreiben und gestalten – hin zu einer Wende, die auch Demokratie neu definieren kann.



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