10. Dezember 2012

Offener Brief zum Thema Blutspende



An die Bundesärztekammer, das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie wir vieler Ihrer Veröffentlichungen und Statements entnehmen können, mangelt es in Deutschland an Blutkonserven und Sie rufen regelmäßig und großflächig zur Blutspende auf. Sie wissen daher bestimmt, dass nur ein Drittel der an Leukämie erkrankten Patient*innen, die eine Knochenmarkspende benötigen, eine*n geeignete*n Spender*in innerhalb ihrer Familien finden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gewebemerkmale zweier fremder Menschen übereinstimmen, reicht derzeit von 1:20.000 bis hin zu weit über eins zu mehreren Millionen – sie sind also sehr gering. Die weltweite Notwendigkeit potentielle Spender*innen zu finden ist offensichtlich. Doch sowohl in der Blutspende, als auch bei der Knochenmarkspende schließen Sie derzeit einen Teil der Bevölkerung aus.

Wir kritisieren die gängige Praxis des Ausschlusses von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) bei der Blut- und Knochenmarkspende. Die sexuelle Identität darf unserer Ansicht nach kein Kriterium sein, das über die Möglichkeit entscheidet, Lebensretter*in zu werden. Einzig das individuelle Risikoverhalten und der verantwortungsvolle Umgang jedes und jeder Einzelnen sollte ein Entscheidungskriterium pro oder contra Blut- oder Knochenmarkspenden sein.

Die Frage, wer in Deutschland Blut- und Knochenmarkspenden leisten darf wurde über das Transfusionsgesetz in Ihre Hände gelegt. Sie entscheiden in regelmäßigen Sitzungen über die geltenden Bestimmungen und klassifizieren homo- und bisexuelle Männer immer wieder auf das neue generell als “Risikogruppe”. Mit der Begründung, Männer, die Sex mit Männern haben, hätten ein statistisch höheres Risiko sich mit HIV zu infizieren als die übrige Bevölkerung ignorieren Sie das individuelle Sexualverhalten der Menschen.

Wie Sie hoffentlich wissen gibt es natürlich auch homo- und bisexuelle Männer, die Safer Sex praktizieren und/oder jahrelang in einer monogamen Beziehung leben und damit auch kein höheres Risiko haben, als heterosexuelle Männer mit gleichem Verhalten. Somit handelt es sich für uns um eine Gruppendiskriminierung auf Grund der sexuellen Identität, welche nach einem Urteil der europäischen Kommission nicht mit europäischem Recht vereinbar ist.

Wir möchten uns deswegen mit diesem offenen Brief dafür einsetzen, dass Sie in Ihren Richtlinien eine Orientierung am individuellen Risikoverhalten von Spender*innen festschreiben, anstatt ganze Bevölkerungsgruppen auf Grund ihrer sexuellen Identität zu diskriminieren. Denn das individuelle Risikoverhalten ist ausschlaggebend, ob sich ein Mensch mit HIV infiziert und nicht seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

Besonders unverständlich finden wir die aktuelle Richtlinie zur Knochenmarkspende, da hier vor jeder möglichen Spende ohnehin die potentiellen Spender*innen auf sämtliche Infektionserreger wie z.B. HI-Viren und HP-Viren getestet werden, wodurch das abstrakte Risiko minimiert wird.

Wir, als GRÜNE JUGEND NRW, möchten aber auch mit diesem offenen Brief eine Diskussion über die aktuelle Regelung und die Klassifizierung homo- und bisexuelle Männer als Risikogruppe anregen und bitten Sie die Gründe für diese Einschätzung transparent darzustellen und innerhalb der Bundesärztekammer, des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts die Vorteile einer individuellen Risikoanalyse für jede*n Spender*in unabhängig seiner sexuellen Identität zu diskutieren.

Über eine Stellungnahme Ihrerseits würden wir uns sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen,

Der Landesvorstand der GRÜNEN JUGEND NRW



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