7. Juni 2013

Junge Union versus Grüne Jugend



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Ein Streitgespräch zwischen Johanna Jurczyk, Sophie Karow und Paul Ziemiak.

Biss 35: Braucht NRW mehr und besser ausgebaute Autobahnen, um Staus entgegenzuwirken und würde dies auch zu einer besseren Vernetzung der Regionen führen?

Jurczyk/Karow: Nein, das sehen wir nicht so. In NRW sollte der Blick noch mehr auf den öffentlichen Nahverkehr sowie die Schiene gelegt werden. Die Struktur gerade in NRW ist durch die Ballungsräume im Ruhrgebiet beispielsweise schon sehr gut, muss aber für die ländlichen Regionen sicher noch ausgebaut werden. Als Grüne Jugend fordern wir auch den zügigen Ausbau des Rhein-Ruhr-Expresses, um hier noch bessere Anbindungen für die Menschen zu erzielen. Uns ist bewusst, dass es in den ländlichen Regionen nicht möglich ist auf Autos zu verzichten, aber hier könnte der Ausbau von Park&Ride-Parkplätzen eine Möglichkeit sein, die Menschen besser an die öffentlichen Verkehrsmittel heranzubringen.

Paul Ziemiak: Wir müssen bedenken, dass im ländlichen Raum die Menschen nicht aus Spaß mit dem Auto fahren. Sie sind darauf angewiesen zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkauf zu kommen. Laut ADAC gibt es allein in NRW 161.000 Kilometer Stau pro Jahr, der zum größten Teil durch die berufstätigen Pendler morgens und abends entsteht. Von daher haben wir keine andere Möglichkeit als auch massiv die Infrastruktur von Autobahnen, Landstraßen durch Lückenschlüsse etc. anzupassen. Wer früh morgens gerade im ländlichen Raum zur Arbeit muss, braucht gute Straßen und bezahlbaren Treibstoff und keine Belehrungen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Verkehrsinfrastruktur in NRW katastrophal unterfinanziert ist. Es ist ein Skandal, dass freie Mittel der Bundesregierung durch NRW nicht abgerufen werden.

Jurczyk/Karow: Uns ist bewusst, dass wir nicht von heute auf morgen eine Veränderung herbeiführen können. Der Stau entsteht aber nicht im ländlichen Raum, sondern erst, wenn es in die Ballungsgebiete geht. Hier sind Alternativen wir Mitfahrzentralen oder Car Sharing und eben der Ausbau des ÖPNV langfristig für uns die Mittel der Wahl. Ein Autobahnausbau setzt aus unserer Sicht den falschen Anreiz!

Ziemiak: Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Menschen in NRW frei sind in ihrer Entscheidung, ein Auto zu fahren oder nicht. Ein Aufzwingen bestimmter Sichtweisen wird nicht funktionieren. Eins muss klar sein, wir dürfen keine Region in NRW abhängen, die Chancen müssen gleich bleiben, auch im Hinblick auf Unternehmen, die gute Verkehrsanbindungen brauchen. Mobilität ist eben auch ein Faktor beim Erhalt der Arbeitsplätze und der Wirtschaftskraft in NRW!

Biss35: Staus und viel Verkehr schaffen ja aber auch Belastungen für die Anwohner. Wie sollte diesem Problem entgegengewirkt werden?

Jurczyk/Karow: Hierzu haben wir einen aktuellen Beschluss, in dem wir für Innenstädte ein generelles Tempo 30-Limit fordern. Uns ist klar, dass dies nicht sofort machbar ist, aber es ist ähnlich wie die Feinstaubregelung ein erster Schritt in die richtige Richtung. Zudem denken wir über autofreie Zonen in den Städten nach. Für uns gilt weniger Verkehr bringt auch weniger Belastung.

Ziemiak: Auch hier scheint die Grüne Jugend wieder das Feindbild Autofahrer ausfindig gemacht zu haben und will solange mit Regelungen und Verboten den individuellen Verkehr einschränken, bis die Menschen es endlich einsehen. Für mich hat das eben sehr viel mit der Freiheit des Einzelnen zu tun. Statt zu verbieten sollten wir lieber neue Technologien wie die Elektromobilität fördern. Sie ist umweltfreundlich und ressourcenschonend. Diese Zukunftstechnologie muss in Preis und Reichweite dringend wirtschaftlicher werden, dann steigen die Menschen auch freiwillig um. Zudem können wir so eine Vorreiterrolle übernehmen und auch neue Arbeitsplätze schaffen.

Jurczyk/Karow: Da stimmen wir uneingeschränkt zu, in dieser Hinsicht wurde viel verschlafen.

Biss 35: Mit den Zukunftstechnologien sind wir auch beim Thema Energiewende, die uns zeitnah vor vielfältige Herausforderungen stellt.
Wie sollte in NRW der Ausbau der Stromtrassen umgesetzt werden?

Jurczyk/Karow: Ein wichtiger Punkt ist hierbei die Beteiligung der BürgerInnen schon in der Planungsphase. Es muss geschaut werden, ob eventuell unterirdisch gebaut werden kann. Ein weiteres Kriterium sollte die Kapazität sein. Unserer Meinung nach, darf nur soviel wie notwendig gebaut werden. Hier muss auch noch einmal über die Kohlekraftwerke gesprochen werden. Wir setzen eher auf lokale Energieerzeugung, so dass erst gar keine großen Transportwege entstehen.

Ziemiak: Wir sind uns einig, dass Bürgerinitiativen grundsätzlich gut sind und wir ihre Interessen sehr ernst nehmen sollten. Trotzdem darf Bürgerbeteiligung nicht einer gänzlichen Verhinderung von Projekten gleichkommen. Wir haben den Weg der Energiewende beschritten – auch wenn die Junge Union zuvor eine andere Beschlusslage hatte – und müssen ihn nun gemeinsam gehen. Übrigens im Gegensatz zu den anderen Parteien. Die haben immer viel davon gesprochen, aber nichts konkretes bewegt. Für mich sollte auch hier Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen, wodurch neue Industriezweige und Arbeitsplätze geschaffen werden können. Es ist sicher ein mutiges Projekt, bei dem die ganze Welt auf uns schaut. Nur wenn wir den Bürgern genau erklären, wie und warum wir bestimmte Wege gehen, können wir Verständnis erzeugen. Bei den Stromtrassen bin auch ich der Auffassung, dass unterirdische Trassen die nachhaltigere Investition sind. Der Ansatz der lokalen Stromerzeugung hieße, dass die ländlichen Regionen vielfach für die Ballungsräume die Energie erzeugen müssten. Das ist sicher nicht in dem erforderlichen Maße zumutbar, weshalb ich mich klar für Offshorelösungen einsetze. Dazu benötigen wir eben den Stromtrassenausbau.

Jurczyk/Karow: Vielleicht unterschätzen wir an dieser Stelle aber auch die Städte und Gemeinden. Diese können doch selbst schauen wie sie die Energiewende umsetzen und mit Erneuerbaren Energien umgehen. Hier sollten bedarfsgerechte Lösungen entwickelt werden, die auch effizient gestaltet sein müssen. Der Weg kann einerseits über Einsparungen gehen, aber andererseits eben auch über neue Lösungen zur Speicherung von Energie. In jedem Fall sollte er weg von der Kohle führen!

Ziemiak: Spannend ist, dass ihr an diesem Punkt für Liberalisierung seid – die Städte sollen selbst entscheiden. Beim Verkehr soll das aber alles von oben geregelt werden, damit auch die „richtigen“ Entscheidungen getroffen werden. Aber zurück zur Frage: Ich stimme Euch zu. Wir müssen immer bedenken, wie wir mit minimalem Einsatz eine maximale Leistung erzielen. Eins sollte aber klar sein, Arbeitsplätze dürfen nie darunter leiden.

Jurczyk/Karow: Grundsätzlich hast du da Recht. Dennoch sollten wir nicht schon argumentativ soziales und ökologisches gegeneinander ausspielen. Die EEG-Umlage dürfte aber auch für stromintensive Unternehmen kein so großes Problem darstellen, da diese auch zuvor schon Kosten für Energie aufwenden mussten. Hier wird nur ein geschickter argumentativer Schachzug gemacht, um Kosten zu sparen. Zudem gilt, dass jeder seinen Beitrag in diesem Prozess leisten muss.

Ziemiak: Richtig, jeder muss seinen Teil beitragen, dies aber bitte nicht auf Kosten des Mittelstandes oder der Wettbewerbsfähigkeit, europäisch wie international. Mit Blick auf die energieintensiven Unternehmen in NRW ist es deshalb auch richtig, diese aus der EEG-Umlage zum Teil auszunehmen.

Biss 35: Wechseln wir das Thema, hin zu innenpolitischen Fragen. Zunächst mal die Frage, was fällt Euch in einem Wort zum Thema Heimat ein?

Jurczyk: Flexibel.
Karow: Zahnbürstenstandort.
Ziemiak: Eishockey und Schützenfeste.

Biss 35: Was fällt Euch beim Begriff „deutsch“ ein?
Jurczyk: Konstrukt.
Ziemiak: Das sind wir.

Biss 35: Woran denkt Ihr beim Begriff „Abschiebung“?
Jurczyk: Schreckliche Verhältnisse.
Karow: Flughafen Düsseldorf.
Ziemiak: Notwendig.



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