11. November 2013

Mehr Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen!



Mehr als sechs Millionen Menschen aus Syrien sind auf der Flucht, zwei Millionen davon bereits außerhalb der syrischen Landesgrenzen. Das deutsche Bundesinnenministerium hat im März 2013 bekanntgegeben, dass 5000 Flüchtlinge aus Syrien in Deutschland Asyl finden sollen. Ende September ergänzte der nordrheinwestfälische Innenminister Jäger, dass NRW 1000 weitere Flüchtlinge aufnehmen wird.

Die auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung ist jedoch an enge Kriterien gebunden. So ist die Aufnahme nur dann möglich, wenn bereits Verwandte ersten oder zweiten Grades in Deutschland mit gültigem und unbefristetem Aufenthaltstitel leben, die für die Aufzunehmenden bürgen und – Krankheitsfälle ausgenommen – für die Kosten aufkommen können. Dies ist mit der Abgabe einer Verpflichtungserklärung und einer Bonitätsprüfung verbunden, die die finanziellen Hürden so hoch setzt, dass viele Familienzusammenführungen aus finanziellen Gründen verhindert werden. Weitere Möglichkeiten sind die Angehörigkeit an eine religiöse Minderheit oder etwaige Voraufenthalte in Deutschland bzw. die Kenntnis der deutschen Sprache.
Als GRÜNE JUGEND NRW kritisieren wir diese hohen Hürden für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Allein in NRW leben 12.000 syrische Mitbürger*innen mit unbefristetem Aufenthaltstitel und Verwandten in Syrien. Die Begrenzung auf 1000 weitere Flüchtlinge zu dem Kontingent von 1064 Flüchtlingen, die dem Bundesinnenministerium zufolge in NRW aufgenommen werden sollen, ist allein schon vor diesem Hintergrund eine Farce. Auch darf Religion in keinem Fall ein Hindernis für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten wie zur Zeit Syrien bieten.
Schweden hat nun erklärt, alle Flüchtlinge aus Syrien ohne derlei Hürden und zeitlich unbefristet aufzunehmen. In NRW setzt die Aufnahmeanordnung des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW (MIK NRW) eine Frist zur Antragsstellung für den Familiennachzug bis zum 31. März fest, diese Anträge sollten jedoch fristlos möglich sein. Auch im rot-grün regierten Rheinland-Pfalz findet sich keine Begrenzung der Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge aus Syrien. Grundsätzlich fordern wir als GRÜNE JUGEND NRW die Aufenthaltsmöglichkeit für alle Menschen in Deutschland, insbesondere für Menschen, die aus schwierigen Situationen und gefährlichen Gebieten kommen.
Das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW ist derzeit zwar an die restrikitiven Vorgaben des Bundesministeriums für Inneres gebunden. Dennoch ist es möglich, dass die Begrenzung in NRW auf 1000 zusätzliche Flüchtlinge aufgehoben wird und und NRW wie Rheinland-Pfalz verfährt. Weiter fordern wir den nordrhein-westfälischen Innenminister Jäger auf, sich über die rassistische Politik des Bundesinnenminsters hinwegzusetzen und syrische Flüchtlinge unabhängig von Familiennachzügen, Weltanschauungen oder Landeskenntnissen aufzunehmen. Die Kosten dafür sind von den zuständigen Ministerien auf Bundes- und Landesebene zu übernehmen.
Wir lehnen außerdem jegliche Befristungen des Aufenthaltstitels ab, da ein Ende des Konfliktes in Syrien bisher nicht abzusehen ist.
Damit allen Flüchtlingen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden kann, müssen endlich sämtliche Aufenthaltstitel zur Erwerbsarbeit berechtigen. Denn jeder Mensch hat das Recht sein eigenes Geld zu verdienen und ein Recht auf Arbeit. Wir fordern die Nordrheinwestfälische Landesregierung und speziell das MIK NRW dazu auf, Möglichkeiten zu suchen die bisherige Vorgehensweise zu umgehen, z.B durch Erlasse an die Ausländerbehörden.
Im Zuge höherer Aufnahmen von Flüchtlingen sehen wir die Kommunen in der Pflicht, leerstehende und ungenutzte Wohnungen zu sanieren und für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Die kürzlich eingerichteten Landeszuschüsse sind dafür voll auszuschöpfen. Weiter muss das Land NRW Zuschüsse auch dann gewähren, wenn es nicht um die kommunale Übernahme oder Führung von Asylbewerber*innenunterkünfte des Landes geht. Stattdessen muss eine flächendeckende Förderung aller Unterkünfte gestartet werden. In diesem Zuge fordern wir auch die Bundesregierung auf, das Angebot für Deutschkurse wieder entsprechend stark zu fördern und auszuweiten. Sprache als Verständigungsmöglichkeit ist ein zentrales Moment für Verständnis auf allen Seiten.
Wenn Flüchtlinge nach Deutschland kommen, brauchen sie dringend Hilfe von Beratungsstellen. Daher fordert die Grüne Jugend NRW flächendeckende Beratungsstellen, die den Flüchtlingen bei ihren ersten Schritten helfen -dazu gehören der Asylantrag, Wohnungen, Jobs, Arztbesuche uvm. – und sie auch weiterhin betreuuen.
Desweiteren sehen wir auch die GRÜNEN im Landtag und in der Landesregierung verpflichtet, stärkeren Druck auf den Innenminister Jäger auszuüben. Eine humanitäre Flüchtlingspolitik, gerade im Bezug auf Syrien, genießt Priorität vor dem Koalitionsfrieden.

Unsere Forderungen auf einen Blick:
– Ausweitung des Flüchtlingskontingents im Bund und insbesondere in NRW
– Familiennachzug nicht als primäre Voraussetzung für die Aufnahmeprüfung von syrischen Flüchtlingen
– Religion darf kein Aufenthaltskriterium sein
– zeitlich unbefristete Aufenthaltstitel für Flüchtlinge
– gleiche Berechtigung zur Erwerbsarbeit für alle Menschen, unabhängig von Aufenthaltstiteln und Staatsangehörigkeit
– leerstehende Wohnungen sanieren und für Flüchtlinge zur Verfügung stellen
das Angebot von Deutschkursen nach oben anpassen

Glossar:
Asylbewerber*in – Flüchtlinge können einen Antrag auf Asyl gemäß Art. 16a des Grundgesetzes stellen. Nach der Antragsstellung dürfen sie sich bis zur Bewilligung oder Ablehnung des Antrages rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und gelten in dieser Übergangszeit, die mehrere Monate dauern kann, als Asylbewerber*in.

Aufenthaltstitel – rechtlicher Oberbegriff im Aufenthaltsgesetz. Beschreibt die Erlaubnis sich in einem Land rechtmäßig aufzuhalten. Aufenthaltstitel sind: Visum, Aufenthaltsgenehmigung, Niederlassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG

Aufenthaltsgenehmigung – befristeter Aufenthaltstitel

Aufnahmeanordnung – Anordnung einem bestimmtem Personenkreis die Aufnahme in ein Land oder Bundesland zu ermöglichen

Bonitätsprüfung – Fähigkeit Schulden, bzw. Zahlungsverpflichtungen (siehe Verpflichtungserklärung) zahlen zu können und die Bereitschaft dies auch zu tun werden hier ermittelt

Familiennachzug – Familienmitgliedern ohne die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Europäische Unionsbürgerschaft kann ein Aufenthaltstitel gewährt werden, wenn ein Familienmitglied bereits einen Aufenthaltstitel bestitzt

Farce – eine Metapher für einen durch unangemessene Herangehensweise abgewerteten Vorgang

Flüchtling – das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann solchen Flüchtlingen, die nicht unter den Schutz des Art. 16a des Grundgesetztes fallen (Recht auf Asyl bei politischer Verfolgung), die Flüchtlingseigenschaft zusprechen, wenn die konkrete Gefahre besteht, dass eben diesen Flüchtlingen beispielsweise Folter oder die Todesstrafe droht. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung.

Nachrangigkeitsregelung – eine Regelung des Gesetzgebers, dass Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Europäische Unionsbürgerschaft besitzen, einen Arbeitsplatz erst dann erhalten dürfen, wenn durch den oder die Arbeitgeber*in nachgewiesen wurde, dass es keine geeignete Person mit deutscher Staatsangehörigkeit oder Europäischer Unionsbürgerschaft für diesen Arbeitsplatz gibt.

Verpflichtungserklärung – Hiermit verpflichtet sich die erklärende Person dazu für den*die in der Verpflichtungserklärung genannten Person die Unterhaltskosten zu übernehmen, diese müssen mindestens das Existenzminimum (Mittel, die zur körperlichen Überlebensfähigkeit nötig sind) abdecken.

Beschlussfassung der Landesmitgliederversammlung am 9./10.11.2013 in Gelsenkirchen.



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