23. März 2019

Für ein ökologisches, solidarisches und gerechtes Europa! #jugendaenderteuropa



Die wohl wichtigste Europawahl aller Zeiten steht unmittelbar bevor. Nie zuvor drohten rechte Parteien im EU-Parlament so stark zu werden und die pro-europäische Mehrheit im Parlament, die seit 30 Jahren die Interessen der Bürger*innen gegen die nationalen Regierungen verteidigt, zu kippen. Doch die Existenz der EU wird nicht nur von einer erstarkten AfD in Frage gestellt. Doch durch eine fortschreitende Renationalisierung der Mitgliedstaaten, welche einem progressiven Aufbruch im Wege steht, wird die EU dieses Potential dauerhaft nicht ausschöpfen können.

Die Europäische Union steht mit der Europawahl 2019 einer lange nicht mehr dagewesenen Richtungsentscheidung gegenüber.

Statt Europa schönzureden, werden wir es in diesem Wahlkampf betrachten, wie es ist:

Die Europäische Union bietet als größtes Friedensprojekt in der Geschichte der Menschheit die Basis für ein solidarisches, ökologisches, demokratisches und vielfältiges Zusammenleben.

Für uns ist klar: Um dieses Potential auszuschöpfen brauchen wir die politische Einheit Europas. Gerade vor und während der Europawahl müssen wir dies anerkennen und offensiv für ein starkes Europa werben.

Die Frage „Europäische Union – ja oder nein?“ dominiert viele Debatten vor der Wahl. Die bisherige Antwort der Konservativen und Liberalen ist ein unkritischer EU-Patriotismus mit dem Ziel, den Status quo zu erhalten. Doch der Status Quo in der EU ist nicht alternativlos. Für uns geht es bei dieser Wahl nicht nur um die Frage „Wollen wir die EU?“, sondern insbesondere um die Frage „Welche EU wollen wir haben?“

Wir schaffen Perspektiven für unsere Generation!

Viele Unternehmen versuchen, die europäischen Staaten, zum Beispiel bei Arbeitsstandards, gegeneinander auszuspielen. Statt Kooperationen miteinander sehen wir uns einer Abwärtsspirale gegenüber, bei dem derjenige Staat meint zu gewinnen, der die niedrigsten Löhne zulässt. Diese Entwicklung hat fatale Auswirkungen auf die Arbeitnehmer*innenrechte.

Doch nicht nur zwischen Staaten wird ein Wettbewerb um die tiefsten Löhne geführt. In Deutschland werden gerade in einigen Branchen, zum Beispiel in der Logistikbranche, deutsche Arbeitnehmer*innen gegen Arbeitnehmer*innen aus dem EU-Ausland, meist aus Osteuropa, ausgespielt. Oft werden diese über Subunternehmen eingestellt und so Mindestlöhne und Maximalarbeitszeiten umgangen und die Menschen ausgebeutet.

Dem müssen wir ein Ende setzen! Die GRÜNE JUGEND NRW fordert daher die Einführung eines EU-weiten Mindestlohns, der sich an den wirtschaftlichen Kennziffern des Mitgliedstaats ausrichtet, in dem der Einsatzort liegt.

Von niedrigen, teils sogar fehlenden Löhnen sind gerade junge Menschen in vielen Teilen Europas betroffen.

Knapp 40% der Jugendlichen in Griechenland und je ein Drittel in Spanien und Italien findet keine Arbeit. Auch in Deutschland hangeln sich viele junge Menschen von einem unbezahlten Praktikum ins nächste. Um jungen Menschen auch kurzfristig bessere Zukunftsperspektiven bieten zu können, fordern wir daher eine europaweite Jugendgarantie, die wirklich wirkt und jungen Menschen in ganz Europa zeitnah eine Arbeit oder eine Ausbildung vermittelt.

Um Perspektiven zu schaffen müssen wir gesamteuropäisch die Ausbildung harmonisieren und stärken. Die GRÜNE JUGEND NRW fordert, dass eine europäische Ausbildungsumlage geschaffen wird, mit der große Unternehmen, die nicht ausbilden, kleinere Unternehmen fördern müssen, die zwar ausbilden wollen, finanziell aber nicht in der Lage dazu sind.

Wir setzen uns weiterhin für ein Erasmus für alle ein, denn europäischer Austausch darf nicht einer Akademiker*innenelite vorbehalten bleiben.

Auszubildende sollten genauso wie Studierende gefördert werden, wenn sie ihre Ausbildung im europäischen Ausland absolvieren. Zudem braucht es eine europaweite Berufsausbildungsbeihilfe.

Um nicht nur jungen Menschen, sondern allen eine Perspektive zu bieten, müssen wir diejenige Politik angreifen, die ihnen ihre Zukunft gestohlen hat: Das Spardiktat. Die aufgezwungene Sparpolitik hat vielen Staaten Südeuropas nicht geholfen, im Gegenteil: Die Lebensumstände vieler Menschen haben sich verschlechtert. Sie leiden unter massiver Arbeitslosigkeit einerseits und fehlender Sozialleistungen andererseits. So wird ihnen jede Zukunftsperspektive geraubt. Die Austeritätspolitik hatte ihre Chance und ist gescheitert, es wird Zeit für einen neuen Ansatz.

Die maßgeblich von der deutschen Bundesregierung eingefädelte Austeritätspolitik der EU muss überwunden werden. Stattdessen müssen wir wieder hin zu mehr Investitionen, z.B. in Infrastruktur, Bildung und die Sozialsysteme, um vielen Millionen Menschen wieder ihre Zukunft zurückgeben zu können.

Die Politik der letzten Jahre war bestimmt von sozialer Kälte. Das Einfrieren der Sozialsysteme ist ein gesamteuropäischer Trend, im Süden und Osten bedingt durch die Sparpolitik, im Norden und Westen durch konservative Regierungen. Doch müssen wir jetzt daran erinnern, was einst Europas Versprechen war: Die Solidarität. Und dieses Versprechen muss eingelöst werden.

Denn gerade die soziale Kälte der letzten Jahre ist eine handfeste Bedrohung für den Fortbestand der EU. Damit sich nicht noch mehr Menschen den Rechten zuwenden und sich allgemein das Leben vieler Menschen massiv verbessern kann, brauchen wir eine gemeinsame und solidarische Sozialunion.

Eine Union, die zwar einen einzigen Wirtschaftsmarkt hat, in dem sich Arbeitnehmer*innen frei bewegen können und teils müssen, die aber 28 grundverschiedene Sozialsysteme hat, kann sich nicht adäquat um alle Menschen kümmern.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert daher die Vereinheitlichung der europäischen Sozialsysteme und eine gemeinsame europäische Sozial-, Arbeitslosen, Kranken- und Pflegeversicherung, die finanziell hinreichend ausgestattet sind, um sich um alle Menschen in der EU zu kümmern.

Wir beenden das Sterben im Mittelmeer!

Im aktuellen Diskurs wird Geflüchteten oft die Individualität abgesprochen. Zusätzlich verhindert die aktuelle Politik, dass Menschen hier Zuflucht finden und eine Zukunft haben können. Es ist klar, dass die Gründe für die Flucht vielfältig sind und jeder Grund legitim ist.

Doch anstatt Geflüchteten zu helfen, setzten die EU-Mitgliedsstaaten auf Abschottung und Repression. Nach außen riegelt sich die Europäische Union ab, versteckt sich hinter Stacheldraht und Mauern und versperrt mit ihrer Grenzschutzagentur Frontex fliehenden Menschen die Einreise in die EU.

Die einzige Alternative zur Balkanroute scheint das Mittelmeer zu sein. Geflüchtete zahlen Schleppern oft mehrere tausend Euro, um auf überfüllten Schlauchbooten das Mittelmeer zu überqueren. Bei dem Versuch so nach Europa zu gelangen, sind alleine in den letzten fünf Jahren knapp 18.000 Menschen ums Leben gekommen.

Um die Menschen an ihrer Einreise zu hindern, ist der EU kein Mittel zu schade. So finanziert sie beispielsweise die sog. libysche Küstenwache, die die Boote, die von Libyen aus in Richtung Europa starten unter massiver Gewaltanwendungen nach Libyen zurückzwingt, in ein Land, in dem Geflüchtete in Lager kommen, in denen Misshandlungen, Folter und Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind. Die menschenverachtende Zusammenarbeit mit libyschen Milizen verurteilen wir aufs schärfste.

Um das Sterben an Europas Außengrenzen zu beenden und unsere Verantwortung endlich ernst zu nehmen, fordern wir humanitäre Visa, die Geflüchtete beantragen können, um anschließend legal und vor allem sicher in die EU einzureisen.

Und statt die flüchtenden Menschen zu bekämpfen, müssen wir vielmehr die Ursachen bekämpfen, die die Flucht erst nötig machen. Und das können wir nur über einen radikalen Wandel in unserer Außen-, Klima- und Wirtschafts- und Handelspolitik.

Wir stehen dafür ein, jeden Menschen, der in die EU kommen möchte, hier aufzunehmen und eine echte Bleibeperspektive zu bieten. Damit das gut gelingt, fordern wir das Ende der Dublin III-Verordnung und die sofortige Möglichkeit in ein Arbeitsverhältnis eintreten zu können.

Wir machen die EU zur Klimaschutzvorreiterin!

Die Klimakrise ist für Millionen von Menschen im globalen Süden schon heute grausame Realität. Auf der Verursacherseite hält der globale Norden seit Jahrzehnten seine Klimaschutzzusagen nicht ein. Wir rasen ungebremst auf mindestens vier Grad Celsius Erwärmung zu und uns bleiben maximal 12 Jahre Zeit, um das Ruder herumzureißen. Es wird Zeit, dass Europa seiner Verantwortung gerecht wird denn die Antwort auf die Klimakrise muss international sein.

Wir beenden das Zeitalter der Kohle in Europa!

Erster Ansatzpunkt ist ein sofortiger europaweiter Ausstieg aus der Kohleverstromung. Deutschland kommt als Kohleweltmeister hier eine besondere Verantwortung zu. In Nordrhein-Westfalen muss der Auftakt für eine Entkarbonisierung der europäischen Stromversorgung erfolgen. Die nationalen, veralteten Stromnetze müssen zu einem europäischen Smart Grid umgebaut werden, welches die europäische Energiewende, weg von Kohle und Atom und hin zu 100% erneuerbaren Energien, bis 2030 ermöglicht.

Grenzüberschreitendes Reisen innerhalb der EU ist ökologisch meist nur mit dem Fernbus möglich. Wer die vergleichsweise langen Reisezeiten scheut, greift eher auf PKWs oder preisgünstige Flüge zurück. Der Modal Split der Eisenbahn bei grenzüberschreitenden Reisen ist verschwindend gering. Es gibt nur wenige grenzüberschreitende Verbindungen, viele Strecken kann man nicht mit einem Ticket buchen und wenn doch, ist dieses viel zu oft deutlich teurer als ein Flug.

Bislang ist im Verkehrssektor der Klimaschutz nicht angekommen. Flüge müssen unattraktiver werden, sie dürfen nicht mehr von der Mehrwertsteuer befreit sein. Zudem braucht es europaweit eine Kerosin- sowie eine CO2-Steuer. Gleichzeitig muss ein integriertes europäisches Fernverkehrsnetz aus Zügen und Fernbussen in einem integrierten Taktfahrplan europaweites und bezahlbares Reisen als Alternative aufgebaut werden.

Den zweitgrößte Haushaltsposten der EU stellen die Agrarsubventionen dar. Aktuell befeuern die Förderungskriterien jedoch den Trend zu immer größeren konventionellen Betrieben. Die Förderung der Intensivierung der Landwirtschaft führt zu steigenden Treibhausgasen im Agrarsektor, durch Überdüngung wird die Grundwasserqualität belastet und der steigende Einsatz von Pestiziden gefährdet massiv die Artenvielfalt.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert, Agrarsubventionen der Europäischen Union nach ökologischen Gesichtspunkten zu vergeben. Der Agrarsektor muss seinen Anteil zum Klimaschutz sowie zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen.

Die Europäische Union wird ihrer klimapolitischen Verantwortung jedoch nicht allein dadurch gerecht, die nötige Reduktion des CO2-Austoßes endlich umzusetzen. Schon heute bedroht die Klimakrise massiv die Existenz vieler Menschen im globalen Süden und die Auswirkungen der Klimakrise führen vermehrt dazu, dass Menschen fliehen müssen. Historisch betrachtet sind die westlichen Industriestaaten die Hauptverursacher von Treibhausgasen. Deshalb muss die EU Klimafliehenden eine würdevolle Migration ermöglichen.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert die Einführung eines Klimapasses, mit dem Menschen, die durch die Auswirkungen der Klimakrise nicht mehr in ihrem Herkunftsland leben können, eine europäische Staatsbürgerschaft erhalten.

Eine ökologisch-solidarische Politik in der Europäischen Union ist die Voraussetzung dafür, dem fortschreitenden Nationalismus erfolgreich entgegentreten zu können. Solange jedoch Grenzen spürbar sind, werden sie auch nicht aus den Köpfen verschwinden.

Wir streichen das „Grenz-“ aus Grenzregion!

Der Fall der Schlagbäume gilt zurecht als eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union. In den letzten Monaten und Jahren wurde dies den Millionen von Menschen, die in Grenznähe leben, vor Augen geführt, als viele Staaten Grenzkontrollen übergangsweise wieder eingeführt haben. Wir fordern alle Staaten in der EU auf, das Schengen-Abkommen einzuhalten und nicht Symbolpolitik auf dem Rücken derer zu betreiben, die die Europäische Einheit jeden Tag leben.

Wahr ist aber auch: In der Praxis kommen viel zu oft nur jene in den Genuss dieser Freizügigkeit, die Zugriff auf ein Auto haben oder sehr gut zu Fuß sind. Nutzer*innen des ÖPNV müssen sich hingegen mit Linien, die an der Landesgrenze enden, Tarifchaos, überteuerten Übergangs-Tickets und unabgestimmten Fahrplänen herumschlagen.

Wir fordern eine euregionale Synchronisierung der Fahrpläne, eine integrierte euregionale Planung des ÖPNV, die Daseinsvorsorge europäisch denkt. Zudem müssen Tarife grenzübergreifende Wirksamkeit erhalten, bis wir europaweit flächendeckend den ticketlosen öffentlichen Nachverkehr durchgesetzt haben.

Unterschiedliche Rechtslagen innerhalb der EU machen sich aktuell insbesondere große Unternehmen zu Nutzen, um Menschen auszubeuten oder Steuern zu sparen. Diesen Zustand können wir nicht hinnehmen und fordern ein europäisches Steuersystem, um der aktuellen Steuervermeidungspraxis entgegen zu wirken.
Desweiteren fordern wir die Freigabe von Cannabisimporten aus den Niederlanden für den Eigenbedarf, damit alle volljährigen Europäer*innen
kurzfristig Zugriff zu unbelastetem Marihuana haben, um sich von den Zwängen den Zwängen der kapitalistischen Marktwirtschaft zu erholen.

Im kommenden Europawahlkampf werden wir die Politik der Europäische Union nicht unreflektiert verteidigen, aber wir werden klar machen, dass die Antworten für die größten Herausforderungen unserer Zeit nur transnational sein können. Auch wenn aktuell ein weiterer Rechtsruck im Europäischen Parlament unabwendbar scheint, stecken wir den Kopf nicht in den Sand. Mit einer klaren Veränderungsbotschaft werden wir das europäische Projekt verteidigen. Die EU ist die größte Chance für eine ökologisch-solidarische Politikwende, die Europa je hatte. Für diese Chance werden wir kämpfen!



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