Bis zu 18 Monate Haft, ohne eine Straftat begangen zu haben. Das ist die Realität vieler Geflüchteter, die in Abschiebehaft sitzen.
Was ist Abschiebehaft eigentlich?
Abschiebehaft bedeutet, dass die Ausländerbehörden oder die Bundespolizei geflüchteten Menschen vor der Abschiebung die Freiheit entziehen. Die Haft ist geregelt in §62 des Aufenthaltsgesetzes. Demnach können Geflüchtete in Schutzhaft genommen werden, wenn sie sich der Abschiebung entziehen wollen. Ob das tatsächlich geplant ist oder passiert, ist hierbei egal, es reicht ein nicht weiter geregelter und sehr unkonkreter „begründeter Verdacht“.
Und hier wird es paradox. Denn Abschiebungen werden grundsätzlich nicht angekündigt. Wenn man also mal zufälligerweise nicht da ist, weil man z.B. einkaufen geht, der Staat aber genau dann die Abschiebung durchführen wollte, gilt das als Entziehung von der Abschiebung und man kann hinter Gitter kommen. Geflüchtete wissen also nicht, wann sie abgeschoben werden sollen. Wenn sie aber währenddessen ihrem normalen Lebensablauf nachgehen und nicht zuhause sind, können sie dafür bestraft werden.
Daneben können Menschen auch inhaftiert werden, wenn der Staat sie abschieben will, die Abschiebung aber noch nicht sofort vollzogen werden kann, etwa weil Personal oder Flugzeuge fehlen. Und das bis zu 1.5 Jahre.
Es handelt sich bei der Abschiebehaft also nicht um eine Strafe, sondern um eine Maßnahme, dem Staat die Abschiebung eben jener Menschen zu erleichtern.
Es ist jedoch vollkommen unverhältnismäßig, Menschen zu inhaftieren und ihnen für eine bestimmte Zeit die Freiheit zu entziehen, nur um dem Staat einen Verwaltungsakt zu erleichtern.
Und doch soll diese rassistische Praxis, Ausländer*innen zu inhaftieren, um sie aus Deutschland auszuweisen, ausgeweitet werden.
Welche Probleme gibt es?
Die medizinische und psychologische Versorgung ist in den Abschiebehaftanstalten oft mangelhaft. Ärztliche Untersuchungen finden, wenn sie denn stattfinden, meist ohne professionelle Dolmetscher*innen statt. Darüber hinaus ist auch fachgerechte psychologische Betreuung Mangelware, gerade Psycholog*innen, die sich auf fluchtbedingte Traumatisierungen spezialisiert haben, gibt es in den Abschiebegefängnissen so gut wie nie.
Dazu kommt, dass viele Geflüchtete in Abschiebehaft, gerade wenn sie für eine längere Zeit da sind, unter Angst und Depressionen leiden.
Es ist klar, dass die Abschiebehaft das Leben der betroffenen Personen massiv einschränkt und ihr Ankommen in Deutschland gefährdet.
Rechtswidrige Willkür
Dazu kommt, dass ein Großteil der inhaftierten Menschen zu Unrecht in Haft sitzt. Allein in der JVA Büren bei Paderborn waren nach Berechnungen des Vereins „Hilfe für Menschen in der Abschiebehaft Büren e.V.“ im Zeitraum zwischen 2015 und 2017 60% der Einlieferungen gerichtlich bestätigt rechtswidrig. Knapp zwei Drittel der Menschen in der nordrheinwestfälischen Abschiebehaft saßen also zu Unrecht dort. Das ist ein unhaltbarer Zustand!
Eine so hohe Fehlerquote gibt es in keinem anderen Rechtsgebiet und würde überall sonst auch für Aufruhr sorgen. Die GRÜNE JUGEND NRW fordert die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards auch bei Asylverfahren und der Anordnung von Abschiebehaft und ein Ende der staatlichen Willkür Geflüchteten gegenüber!
Abschiebehaft in NRW
In NRW wurde im Dezember 2018 für eine Ausweitung und Verschärfung der Abschiebehaft gestimmt. Mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD wurde etwa beschlossen, dass die JVA Büren, das bundesweit größte Abschiebegefängnis, erweitert wird und mehr Personal erhalten soll.
Außerdem wurde eine neue menschenrechtsverletzende Hausordnung beschlossen. Menschen, die in Büren inhaftiert sind, dürfen kein Bargeld mehr bei sich führen oder Handys mit Kamerafunktion besitzen. Auch dürfen Menschen bis zu 16 Stunden am Tag in ihrer Zelle eingesperrt und in Isolationshaft gesperrt werden – ohne je eine Straftat begangen zu haben.
Wer darüber hinaus als „gefährliche Person“ eingestuft wird, soll schon präventiv sanktioniert werden, z.B. durch den Entzug von Internetzugängen, oft die einzige Möglichkeit, mit Familie und Freund*innen in Kontakt zu bleiben.
Wer eine solche „gefährliche Person“ sein soll bleibt jedoch unklar, denn Menschen die Straftaten begangen haben (sollen) und infolgedessen abgeschoben werden, finden sich nicht in der Abschiebehaft wieder, sondern werden direkt aus der Strafhaft heraus abgeschoben. Damit öffnet diese Regelung Tür und Tor für weitere Willkürmaßnahmen gegen Geflüchtete.
Diese Verschärfungen in NRW stellen eine krasse Einschränkung für die Freiheit von Geflüchteten dar und werden von uns als solche abgelehnt.
Seehofers Pläne
Und auch Seehofers Bundesinnenministerium macht mit, wenn es um die Beschneidung von Grund- und Freiheitsrechten für Geflüchtete geht.
So heißt es etwa in einem Ideenpapier des Ministeriums, man könne die „Verzichtbarkeit des Richtervorbehalts“ für Geflüchtete in Abschiebehaft prüfen. Auch sollen Geflüchtete zukünftig in normalen Gefängnissen neben verurteilten Straftäter*innen einsitzen. Diese Ideen Seehofers sind nichts weniger als menschenrechts- und verfassungswidrig!
Außerdem sollen Menschen zukünftig auch in Abschiebehaft genommen werden können, wenn sie aus Sicht der Behörden nicht gut genug an der Beschaffung von Pässen und Papieren mitwirken. Für eben diese Menschen soll zudem ein neuer Status, noch unterhalb der Duldung eingeführt werden.
Dies geht völlig an der Realität vorbei und dient nur dazu, Geflüchtete weiter zu schikanieren und zu entrechten.
Es gibt viele Gründe, doch dafür Menschen die Integration in die Mehrheitsgesellschaft zu verweigern und sie noch viel mehr mit Haft zu bestrafen ist unmenschlich!
Die GRÜNE JUGEND NRW fordert, dass die rassistische und willkürliche Praxis der Abschiebehaft abgeschafft wird. Denn hier werden Menschen nur eingesperrt, weil sie Ausländer*innen sind und der Staat sich ihre Abschiebung erleichtern möchte. Menschen dafür ihre Freiheit zu entziehen, lehnen wir als vollkommen unverhältnismäßig ab. Auch stehen wir dafür, dass die JVA Büren, das bundesweit größte Abschiebegefängnis, ersatzlos geschlossen wird.
Stattdessen müssen wir gerade in Zeiten des Rechtsrucks für die universellen Menschenrechte – gerade auch von Geflüchteten – eintreten und bekräftigen unsere Forderung nach einem bedingungslosen Bleiberecht für alle.