Ständiger Leistungsdruck, chronische Müdigkeit, stumpfer Unterricht und
vollgestopfte Klassen:
Das alles ist für Schüler*innen in Nordrhein-Westfalen bitterer Alltag. Für uns
ist klar:
Es braucht radikale Veränderungen am Bildungssystem und in den Schulen NRWs.
Eine Ausdünnung des Lehrplans, Weiterbildungen der Lehrkräfte und eine
Renovierung sowie Digitalisierung der Schulen wurde in den letzten Jahren stark
verschleppt und muss jetzt schnellstmöglich aufgeholt werden. Kritik am
Schulsystem und konkrete Forderungen dürfen nicht mehr als utopisch und
realitätsfern abgetan werden, sondern müssen nun endlich umgesetzt werden.
Wir haben unsere Kritik unter verschiedenen Aspekten formuliert:
Lehrplan und Leistungsdruck
Wir lernen für die Schule, nicht fürs Leben. Das ist ein schnulziger
Kalenderspruch, entspricht aber leider der Wahrheit. Fünfmal die Woche
Unterricht bis nachmittags –der Lehrplan ist vollgestopft. Vollgestopft mit
teilweise unnötigen, mit rassistischen und/oder anderweitig diskriminierenden
Inhalten. Was wir brauchen, ist kein Unterricht über den Aufbau von
Schmetterlingsblütlern, sondern Unterricht, der uns etwas fürs Leben bringt;
Beispiele dafür wären Themen wie Ernährung oder den Umgang mit digitalen Medien.
Wichtig ist auch, dass mehr Fachübergreifend und Projektorientiert gearbeitet
wird. Doch der Lehrplan muss nicht nur verändert, sondern Teile müssen auch
gestrichen werden. Wichtige Inhalte müssen teils unter Zeitdruck in unsere Köpfe
„rein geprügelt“ und nur für die nächste Arbeit erlernt werden. Das sogenannte
„Bulimie-Lernen“ vermittelt Lehrinhalte nur kurzfristig und sorgt für keinen
langfristigen Lerneffekt. Zeit für Rückfragen oder das Vertiefen von Schulstoff
bleibt meist nicht. Neben der Schule müssen die Schüler*innen auch noch
Hausaufgaben erledigen und für anstehende Arbeiten lernen. All dies sorgt für
einen ungemeinen Leistungsdruck bei den Schüler*innen.
Wir sollten die Ansicht, dass wir ohne Druck nicht lernen, überdenken und die
Schule zu einem angenehmen Lernspace weiterentwickeln.
Noten
Der Kampf um gute Noten ist für Schüler*innen Alltag. Dabei kann eine einzelne
Zahl in vielerlei Hinsicht gar nichts über die Kompetenz zu einem Thema
aussagen. Die Note 2 auf dem Zeugnis kann dabei für einen Schnitt von 1,6 bis
2,4 stehen. Doch auch in anderen Punkten sind Noten grundlegend falsch. Die
Notengebung ist oft intransparent, so ist nicht ersichtlich, ob sie eher
kurzfristige Lerneffekte und Erfolge widerspiegelt, oder auch die Fortschritte
der Schüler*innen einbezieht. Außerdem haben Lehrerkräfte einen riesigen
Spielraum auf die Benotung der Schüler*innen. Dabei haben Faktoren wie die
Stimmung der Lehrkraft, Namen der Schüler*innen, aber auch Faktoren wie
Geschlecht, soziale Herkunft und eventuell vorhandene Migrationsgeschichte einen
großen Einfluss auf die Benotung. Eine Alternative zu dem klassischen
Notensystem sind dabei Dialogformen, wie Gespräche zwischen Lehrkräften, Eltern
und Schüler*innen. Diese haben zudem den Vorteil, dass langzeitige Entwicklungen
des Lernerfolgs detaillierter beschrieben und kommuniziert werden können. Je
nach Anlass könnten auch andere Formen der Notenrückgabe genutzt werden,
Beispiele dafür wären Zeugnistexte oder sogenannte Rasterzeugnisse, in denen die
schulische Leistung in verschiedenen Bereichen und Kompetenzen geschildert wird.
Eine objektive Alternative zu den klassischen Schulnoten, die den Leistungsdruck
minimiert und langfristige Lernerfolge widerspiegelt, ist daher erstrebenswert.
Schulbeginn
Cola, Kaffee, Red Bull – auf den Schulbänken sind viele koffeinhaltige Getränke
zu sehen. Ein Mittel, um sich trotz des frühen Schulbeginns wachzuhalten. Laut
Schulministerium beginnt der Unterricht in NRW zwischen 7:30 und 8:30 Uhr. Und
das, obwohl wissenschaftlich bewiesen ist, dass Jugendliche einen anderen Bio-
Rhythmus als Erwachsene haben. Sie werden abends später müde und morgens später
wach. Die meisten Schüler*innen sind daher chronisch übermüdet. Studien belegen,
dass ein Schulbeginn von 9 Uhr viele positive Effekte hat: Im Schnitt bessere
Noten, ein geringeres Risiko für Depressionen und ein geringerer Konsum von
koffeinhaltigen Getränken. Gut für Konzentration und Gesundheit.
Ein späterer Schulbeginn würde sich also positiv auf Noten und Alltag auswirken.
Digitalisierung
Keine Technik weit und breit. Dies ist in Schulen NRWs keine Seltenheit. Die
Coronapandemie hat erneut gezeigt, wie schleppend die Digitalisierung an den
Schulen läuft. Egal, ob Verteilung der Aufgaben über Zoom oder Teams –
Komplikationen gab es immer. Das hatte verschiedene Gründe: Die Lehrkräfte
wurden einfach nicht mit moderner Technik ausgestattet, die Zoom Server veraltet
und Schüler*innen mussten sich mit ihrer Technik, teilweise einfach nicht
vorhanden, zufriedengeben. Doch mit Ende des Lockdowns hat dieses Problem nicht
aufgehört. In den Klassenzimmern findet man meist immer noch Overheadprojektor
und Tafel anstelle eines Smartboards. Und wenn es mal ein digital ausgestattetes
Zimmer gibt, wissen die Lehrkräfte kaum, wie mit der Technik umzugehen ist oder
sie haben ihren Unterricht nicht digitalisiert. Und auch die Schüler*innen
schreiben noch mit Papier und Stift. Wenn es einen W-Lan Zugang geben, und mehr
mit IPads oder Tablets gearbeitet werden würde, ließe sich beispielsweise
einiges an Papier für die jeweiligen Arbeitsblätter sparen.
Zusätzlich gibt dies die Möglichkeit, den Unterricht abwechslungsreicher zu
gestalten, durch das nun ermöglichte einbauen von einem Kahoot Quiz oder
ähnlichem. Der Unterricht würde mehr Spaß machen und man würde mehr lernen, weil
so das Interesse für die jeweiligen Themen aufrechterhalten werden kann.
Renovierung
Die Situation in manchen Schulen ist prekär. Marodes Gebäude, alte Turnhalle und
verunstaltete Wände. In manchen Schulen sind die Fenster im Winter undicht, es
regnet herein, die Toiletten sind in einem unzumutbaren Zustand. Aber auch wenn
all dies nicht der Fall ist: Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens in
diesen Gebäuden. Daher sollten die Schulen ein moderner und angenehmer Ort zum
Lernen sein. Diese Aufgabe kann aber nicht nur durch die Kommunen allein
gestemmt werden, da finanzielle Mittel fehlen.
Wir fordern daher ein Sonderpaket vom Staat NRW, mit dem die Schulen weitgehend
digitalisiert und nachhaltig renoviert werden können und eine anteilige
Kostenträgerschaft des Landes.
Sport- und Kreativer Unterricht
Für viele Highlight des Stundenplans – für manche Schrecken der Woche. Vielen
Schüler*innen wird durch den Sportunterricht der Spaß an Sport genommen. Und
das, obwohl Sport und Bewegung existenziell für die Gesundheit sind. Spiele wie
Völkerball reproduzieren Mobbing und verstärken Machtverhältnisse zwischen
verschiedenen Schüler*innen. Expert*innen empfehlen kleinere Gruppen von bis zu
14 Schüler*innen mit gleichem Niveau. Die Benotung im Sport basiert auf dem
Körperaufbau: Typisch „unsportliche“ Schüler*innen werden daher grundsätzlich
schlechtere Noten bekommen. Es wird nur danach geschaut, wie schnell gerannt
oder wie weit gesprungen wird, aber nicht, wie sehr man sich anstrengt. Eine
große Schülerin springt daher mit weniger Anstrengung grundsätzlich weiter als
eine kleine Schülerin mit mehr Anstrengung. Bei diesen Bewertungsformen wird in
keinerlei Hinsicht Rücksicht auf die individuellen Voraussetzungen der Kinder
und Jugendlichen genommen und das veraltete Wettkampfdenken wird gefördert.
Außerdem diskriminiert die binäre Notenvergabe (verschiedene Werte für Jungen
und Mädchen) und das nicht Vorhandensein von geschlechtsneutralen Umkleiden
nicht-binäre Schüler*innen.
Ähnlich schwierig ist der kreative Unterricht, also Musik und Kunst. Hier ist es
oftmals egal, wie sehr man sich anstrengt, aber grundsätzlich ist es nun mal so,
dass Schüler*innen, welche ein Musikinstrument spielen, durchaus höhere Chancen
auf eine gute Note haben, als alle anderen. Genauso im Kunstunterricht, hier
spielt nur eine Rolle, wer künstlerisch veranlagt ist. Die Anstrengung, die in
den jeweiligen Fächern vollbracht wird, wird also kaum gewertet. Dieses Prinzip
ist nicht wirklich fair und sollte dringend überarbeitet werden.
Sport ist wichtig und gehört auch in den Stundenplan, doch er sollte Spaß
machen. Dafür braucht es eine intakte Sporthalle, funktionierende Geräte und ein
großes Sportfeld, das Platz für die verschiedensten Sportarten bietet. Genauso
wie im kreativen Unterricht werden Lehrer*innen benötigt, die auf jeden
Einzelnen eingehen.
Schulpersonal
Immer wieder stößt man im Internet auf Memes: Lehrkräfte wären unfähig oder
könnten nicht mit Kindern umgehen. Auch wenn das sicherlich nicht der Wahrheit
entspricht und stark überspitzt dargestellt ist, hat es einen wahren Kern. Denn
auch wenn Pädagogik ein Teil des Studiums ist, fehlt den meisten Lehrkräften die
Sensibilisierung für den richtigen Umgang mit psychischen Erkrankungen,
behinderten Lebenswirklichkeiten, Neurodivergenz, Mobbing, Rassismus,
Queerfeindlichkeit etc. Gerade, weil die Schule ein Auffangbecken für Kinder und
Jugendliche mit unter anderem einem schwierigen Elternhaus ist, muss die Schule
zunächst ein Hilfsangebot bereitstellen. Lehrkräfte müssen über diverse
psychische Erkrankungen informiert und über den Umgang geschult sein. Nein,
Lehrkräfte müssen keine Psycholog*innen sein, jedoch als Vertrauenspersonen
fungieren und im ersten Schritt für Betroffene Sicherheit geben und Verständnis
schaffen. Aufgrund des Lehrermangels findet man in den Schulen häufig auch
Quereinsteiger, denen diese pädagogische Ausbildung grundlegend fehlt. Für diese
müssen pädagogische Weiterbildungen verpflichtend sein. Auch über den richtigen
Umgang mit Mobbing und verschiedenen Arten von Diskriminierung müssen Lehrkräfte
geschult und informiert werden. Die vier- bis sechsfach erhöhte Suizidrate bei
queeren Jugendlichen zeigt, dass Betroffene und Opfer konsequenter in Schutz
genommen werden müssen. Doch auch Lehrkräfte selbst können Grund für
Diskriminierung sein. In solchen Fällen muss trotz Lehrermangels konsequenter
gehandelt werden. Denn neben Lehrkräften muss auch die Schulleitung geschult und
sensibilisiert werden, um Fehlverhalten von Lehrkräften nicht als schlechte
Laune abzutun, sondern konsequent zu sanktionieren.
Lehrkräften kommt bei der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen eine immense
Verantwortung zu. Gerade deshalb ist ein sensibler und professioneller Umgang
mit der Psyche von großer Bedeutung. Dabei können Sozialarbeiter*innen
unterstützen. Sie bilden eine alternative, möglichst neutrale Anlaufstelle zu
Lehrkräften. Sozialarbeiter*innen sind, anders als Lehrkräfte, aufgrund ihrer
sozialpädagogischen Spezialisierung mit Methodenkenntnissen und
Herangehensweisen ausgestattet. Bei sozialen und individuellen Problemen haben
sie die Zeit und das Wissen, damit adäquat umzugehen und zu helfen. Zudem können
sie präventiv mit der Schüler*innenschaft arbeiten, zu mehr Chancengleichheit
und Bildungsgerechtigkeit beitragen, sowie Lehrkräfte und Familien beraten.
Schulessen
Viele Schüler*innen kommen ohne Essen zur Schule, manche auch ohne Geld, Essen
zu kaufen, andere nutzen das Angebot der Schulmensen, Fastfood artiges
ungesundes Essen zu kaufen und zu konsumieren. Es kann nicht sein, dass
Schüler*innen einen langen Schultag ohne gesundes, nährstoffreiches Essen
verbringen müssen.
Wir fordern daher ein kostenloses Mittagessen für alle. Außerdem fordern wir
eine Aufwertung der Mensen durch eine gute vegane Essensalternative, mit einem
Fokus auf regionalen, saisonalen und Bio Lebensmitteln. Individuell angepasste
Lösungen für einzelne Schüler*innen sind begrüßenswert und wichtig.
Als GRÜNE JUGEND Nordrhein-Westfalen fordern wir konkret:
- die Ausdünnung des Lehrplans, um den Leistungsdruck zu minimieren.
- die Ergänzung des Lehrplans um lebensrelevante Themen.
- eine Alternative zu Noten, die Lernerfolge widerspiegelt, um den
Leistungsdruck zu minimieren.
- einen späteren Schulbeginn um 9 Uhr, um die Gesundheit der Schüler*innen
zu stärken!
- ein Sonderpaket vom Staat Nordrhein-Westfalen, welches zur großräumigen
Digitalisierung und nachhaltigen Renovierung eingesetzt werden kann.
- eine anteilige Kostenträgerschaft des Landes, welche den Schulbau mit
einem bestimmten Prozentsatz dauerhaft unterstützt.
- eine starke Veränderung des Sport und kreativen Unterrichts, die eine
Alternative zur klassischen Notenvergabe nach Leistung vorsieht und
Machtgefällen zwischen Schüler*innen entgegen wirkt.
- die Sensibilisierung des Schulpersonals im Umgang mit Themen wie
psychischen Erkrankungen, Mobbing und Diskriminierung im Schulalltag.
Dafür bedarf es einer Veränderung des Studiums sowie die Verpflichtung,
Weiterbildungen zu besuchen.
- Schulsozialarbeiter*innen an allen Schulen, unabhängig der Schulform.
- ein kostenloses Mittagessen in Schulen und eine vegane Essensalternative,
die eine Ausweichmöglichkeit zu Fleisch lastigem Essen bietet.