15. Juni 2015

System change not climate change



Der Klimawandel findet bereits statt. Die Häufung extremer Wetterereignisse in den letzten Jahren zeigt uns deutlich, dass wir dringend handeln müssen!

Unwetter in NRW, die den Schienenverkehr teilweise bis zu eine Woche lang lahm legen und Sachschäden in Millionenhöhe verursachen. Dürren in Kalifornien, massive Überschwemmungen in Osteuropa und Südostasien, Wassermangel in Nordspanien oder Hitzewellen in Mitteleuropa – all diese Phänomene haben wir in den letzten Jahren erlebt. Sie liefern einen Vorgeschmack auf die Veränderungen, die kommen werden, wenn wir nicht entschlossen gegen die Klimakatastrophe kämpfen!

Klimaschutz ist dabei auch eine Generationenfrage. Unsere Elterngeneration hat so viel Kohle, Öl und Gas verbrannt, wie keine Generation zuvor. Wir und unsere Nachkommen werden mit den Folgen davon leben müssen. Diese Folgen müssen wir so gering wie möglich halten. Daher ist die Begrenzung der Temperatursteigerung auf 2-Grad über das vorindustrielle Niveau, das sogenannte 2-Grad-Ziel, mehr als notwendig.

Klimaschutz kennt keine Grenzen!

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen endlich nationale Egoismen und der alleinige Blick aufs Wirtschaftswachstum überwunden werden. Wir haben nur diese eine Erde, auf der alle 7,5 Milliarden Menschen leben. Wir alle müssen die Klimakatastrophe gemeinsam stoppen! Bei den Klimaverhandlungen Ende des Jahres werden wieder Regierungsvertreter*innen aus aller Welt zusammen sitzen und über ein internationales Klimaschutzabkommen verhandeln. Wir fordern insbesondere von der deutschen Bundesregierung einen stärkeren Einsatz für eine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Langjährige Industriegroßmächte, wie die meisten Mitgliedsstaaten der EU, die USA, und einige andere Staaten, die auf Kosten des Klimas jahrelang profitiert haben, haben eine besondere Verpflichtung, ihren Ausstoß an Treibhausgasen drastisch zu reduzieren.

Die Selbstverpflichtung der G7 den CO2-Ausstoß in den nächsten 35 Jahren um 40-70% zu senken ist ein schlechter Witz. Dass Sie sich gleichzeitig zur Einhaltung des 2-Grad-Ziels verpflichten, entlarvt ihre klimapolitischen Versprechen als reine Lippenbekenntnisse, die der Ernsthaftigkeit des Thema unangemessen sind!

Aber auch die sogenannten BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, müssen ihre Treibhausgasemissionen massiv reduzieren.

Ein Klimaschutzabkommen muss auch ein Ende der Suche nach weiteren fossilen Brennstoffen beinhalten. Schon die heute bekannten fossilen Ressourcen müssen zum größten Teil in der Erde bleiben, wenn wir das 2-Grad-Ziel erreichen wollen!

Klimaschutz hat Gegner*innen

Konsequenter Klimaschutz bedeutet das Ende des Geschäftsmodells von Öl- und Gaskonzernen sowie Kohleabbauunternehmen. Denn wenn Kohle, Öl und Gas im Boden bleiben, kann damit kein Geld verdient werden. Unternehmen aus diesen Bereichen gehören aber zu den größten und einflussreichsten der Welt und werden sich vehement gegen konsequenten Klimaschutz wehren.

Mit diesen Klimakillern werden wir als Teil einer weltweiten Graswurzelbewegung für entschlossenen Klimaschutz viele Konflikte austragen müssen. Aber diese Konflikte können wir gewinnen.

Vor allem ein Argument spielt in der Debatte bei uns in NRW eine große Rolle: Das Arbeitsplatzargument. Diese Arbeitsmarktlogik, die Arbeitsplätze als Selbstzweck ansehen, anstatt eine Existenzsicherung aller zu fordern, lehnen wir ab. Doch unabhängig davon, dass Zahlen von bis zu 100 000 gefährdeten Arbeitsplätzen im Braunkohleabbau ohnehin unseriöse Panikmache sind, verkennt diese Argumentation, dass Fortschritt immer Arbeitsplätze gekostet, aber auch neue geschaffen hat. Auch der Umstieg auf eine klima- und ressourcenneutrale Wirtschaftsweise wird Menschen neue Chancen und Aufgaben bieten. Aber Arbeit muss, unabhängig von der Klimakatastrophe, gerechter verteilt werden. Der technische Fortschritt sorgt dafür, dass Menschen weniger arbeiten müssen. Diese Arbeitseinsparung muss endlich in eine geringere Arbeitszeit umgesetzt werden.

Wenn wir uns in diesen Konflikten durchsetzen können, tragen wir damit nicht nur zur Beschränkung des Klimawandels bei, sondern bekommen auch neue, vielfältigere Wirtschaftsstrukturen, die den Menschen stärker in den Mittelpunkt stellen, statt nur auf die Dividende und den Aktienkurs zu schielen. Energiegenossenschaften, bei denen Menschen selbst den Strom produzieren, den sie brauchen, sind für uns ein möglicher Weg einer neuen Wirtschaftsstruktur, die genossenschaftlich und demokratisch organisiert ist.

Nach einer erfolgreichen Energiewende hin zu 100% erneuerbaren Energien wird Strom deutlich preiswerter sein als heute. Der Umstieg aber kostet Geld. Wir wenden uns entschieden gegen die Verlagerung der Kosten der Energiewende auf künftige Generationen, die ohnehin die Folgen des Klimawandels zu tragen haben, ohne zu ihm beigetragen zu haben. Dennoch müssen die Kosten gerechter verteilt werden. Es kann nicht sein, dass die Börsenstrompreise Jahr für Jahr sinken und gleichzeitig die Kosten für Privathaushalte steigen.

Keine Klimakiller*innen auf der Klimakonferenz

Auf vergangenen Klimakonferenzen waren immer wieder auch die großen Klimakiller*innen vertreten. Wir fordern, dass die EU sich gemeinsam mit den französischen Gastgeber*innen der Klimakonferenz dafür einsetzen, dass die Lobby der Klimakiller*innen keinen Zugang zu den Verhandlungen bekommt. Sie sollten, wie alle anderen Bürger*innen auch, den Stand der Verhandlungen möglichst transparent aus den Medien oder über die online bereitgestellten Informationen erfahren. Die Klimakonferenz muss ein politischer Raum sein, kein wirtschaftlicher.

Klimaschutz braucht Energiewende

In NRW kommt die Hälfte der CO2-Emissionen aus der Energiewirtschaft. In Deutschland sind es rund ein Drittel. Um das Klima zu schützen, müssen wir also auch unsere Energieversorgung umbauen. Die Energiewende muss dabei entschlossen vorangetrieben werden. Je länger wir für den Umstieg auf 100% erneuerbaren Strom brauchen, desto höher werden die ökologischen, aber auch die ökonomischen Kosten. Wir fordern daher von allen Parteien ein Bekenntnis zu einer zügigen Energiewende, die auch den Ausstieg aus der Kohlekraft beinhaltet.

Aber nicht nur im Stromsektor, auch im Wohn- und Verkehrsbereich muss der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden. Aus diesem Grund fordern wir die Förderung von Sanierungen von Altbauten, sowie Plus-Energiebauweise als Mindeststandard für Neubauten.

Durch Stärkung und Ausbau des ÖPNV möchten wir auch unsere Städte zudem nicht nur klimafreundlicher, sondern auch lebenswerter gestalten. Statt Parkplätze möchten wir mehr Freiräume für Kinder, Jugendliche und alle anderen Einwohner*innen schaffen.

Klimaschutz in NRW

Auch das Land muss mehr für den Klimaschutz tun. Das Klimaschutzgesetz in Verbindung mit einem verbindlichen Klimaschutzplan ist dabei ein erster Schritt. Wir fordern im Rahmen des Klimaschutzplans verbindliche Zwischenziele im ein- oder zwei-Jahrestakt, um auch mittelfristig eine Planungssicherheit zu erreichen und sicherzustellen, dass die Ziele im Jahr 2020 bzw. 2050 auch eingehalten werden. Falls Ziele mit den geplanten Maßnahmen nicht erreicht werden, muss die Landesregierung durch zusätzliche Maßnahmen gegensteuern. Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer stärkeren Belastung des Abbaus von fossilen Brennstoffen und der Freisetzung von Treibhausgasen. Dazu kann ein Klimafolgenfonds beitragen.

Wir erwarten von allen Parteien einen entschlossenen Einsatz für mehr Klimaschutz!

Vorreiter*innen stärken

Wir befürworten den Ansatz der sogenannten Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten (KluG), bei dem Vorreiter*innen Netzwerke aufbauen und sich gegenseitig unterstützen. Diese Vorreiter*innen verpflichten sich zu ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen, die regelmäßig überprüft werden müssen. Dabei sind uns insbesondere folgende Indikatoren wichtig:

  • Pro-Kopf Emissionen
  • Emissions-Außenhandelsbilanz (also wie viele Emissionen wurden durch den Konsum von Waren in anderen Staaten verursacht)
  • Entwicklung der Pro-Kopf-Emissionen

Die Vorreiter*innen sollen auch die Möglichkeit bekommen, Einfuhrregularien einzuführen, um kurzfristige Nachteile, die Unternehmen in diesen Staaten durch Klimaschutzmaßnahmen entstehen, auszugleichen.

Achtung Carbon-Bubble!

Ein großer Teil der bekannten Ressourcen an fossilen Brennstoffen kann nicht genutzt werden, ohne massive Klimaschäden in Kauf zu nehmen. Da viele Unternehmen aber diese Ressourcen als ihren Besitz vorweisen, werden sie heute an den Börsen dieser Welt überbewertet. Diese „carbon-bubble“ wird früher oder später platzen. Daher ist es sowohl unter moralischen als auch finanziellen Gesichtspunkten gefährlich, heute noch in Unternehmen zu investieren, die viele fossile Ressourcen besitzen, oder sich auf die Entdeckung und Erschließung fossiler Brennstoffe spezialisiert haben. Gerade öffentliches Geld muss aber möglichst sicher angelegt werden. Daher fordern wir eine Überprüfung und ggf. Umstrukturierung der öffentlichen Geldanlagen. Das beinhaltet Pensionsfonds, ebenso wie kommunale Unternehmensbeteiligungen. Wir selbst werden dabei mit gutem Beispiel voran gehen und dafür sorge tragen, dass unsere Rücklagen auch weiterhin nicht in Klimakiller*innen investiert werden.

Wir fordern die Kommunen und das Land auf, diesem Beispiel zu folgen und den Klimawandel nicht indirekt durch Investitionen zu fördern. Das Land und der Bund müssen den Kommunen hierbei finanziell unterstützend zur Seite stehen, da durch einen Verkauf von Unternehmensbeteiligungen oft hohe Verluste entstehen, die viele NRW-Kommunen in die Haushaltssicherung führen können.

Klimaschutz von unten

Klimaschutz ist nicht nur Aufgabe für Unternehmen, Staaten und internationale Institutionen. Das Abkommen von Paris wird voraussichtlich nicht genug Impulse für den Klimaschutz setzen, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten. Daher ist es um so wichtiger, Klimaschutz vor Ort voranzutreiben. Wir stehen dabei an der Seite zahlreicher Energiegenossenschaften, Initiativen und anderer Gruppen, die an vielen Orten zum Klimaschutz beitragen. In Form der solidarischen Landwirtschaft können Menschen auch ihre Ernährung selbst in die Hand nehmen. Damit werden Transportwege verringert und somit auch das Klima geschützt. Wir wollen diese Entwicklung einer solidarischen Wirtschaft fördern und sie dem Kapitalismus entgegenstellen, der in seiner Suche nach Profit unser Klima aufheizt.

Wald statt Kohle

Weltweit gibt es Widerstand gegen die fossilen Energieträger – in Kolumbien, wo die Steinkohle für viele Kraftwerke in NRW her kommt, genauso wie in NRW. Wir sehen uns als Teil der weltweiten Klimabewegung und unterstützen Aktionen wie die Energiewendedemos, Anti-Kohle-Ketten und die im Sommer stattfindenden Aktionstage im Rahmen des Klimacamps und von Ende Gelände, sowie der Degrowth Summer School. Wir sind auch solidarisch mit den indigenen Menschen, die in Lateinamerika für ein gutes Leben ohne Zerstörung ihrer Heimat und gegen gewaltsame Vertreibungen für den Kohleabbau kämpfen.

Die Wald- und Wiesenbesetzung im Hambacher Forst ist zu einem Symbol des Widerstands gegen die Klimakiller*innen geworden. Wir unterstützen diese und solidarisieren uns mit den Aktivist*innen. Gerade angesichts der ungewissen Zukunft der Tagebaue fordern wir einen Stopp der Abholzung im Hambacher Forst. Wenn die Ankündigung von RWE, dass im Falle eines Klimaschutzbeitrags die Braunkohle ab 2020 nicht mehr gebraucht wird, richtig ist, dann ist eine weitere Rodung nichts als die unsinnige Zerstörung eines der ältesten und ehemals größten Wälder Europas.

Klimaanpassung und Klimafolgen

Auch eine durchschnittliche globale Erwärmung von 2-Grad führt zu einer Häufung von Extremwetterereignissen und Veränderungen im regionalen Klima. Auf diese Veränderungen müssen wir uns einstellen. Wir bekräftigen daher unsere Forderung nach einem Klimafolgenfonds auch für NRW. Aber auch darüber hinaus brauchen wir Anpassungsmaßnahmen. Insbesondere die Bahn muss Maßnahmen ergreifen, um die Strecken nach Unwettern schnell wieder in einen befahrbaren Zustand zu versetzen. Aber auch für Hitzewellen müssen wir uns rüsten. Vor allem Wohnungen für ältere Menschen und öffentliche Gebäude müssen so gestaltet werden, dass sie auch bei hohen Außentemperaturen nicht überhitzen. Um Dehydrierung bei Hitzewellen vorzubeugen, wollen wir Trinkwasserbrunnen an viel frequentierten Orten einführen, an denen alle kostenfrei Trinkwasser bekommen können, wie es bereits in Frankreich und anderen Staaten üblich ist. Diese Maßnahmen kosten natürlich Geld. Daher ist eine Besteuerung des CO2-Ausstoßes von Unternehmen nötig, um diese Folgekosten tragen zu können.

Auch auf internationaler Ebene müssen Staaten, die den heutigen Klimawandel maßgeblich verursacht haben, Verantwortung übernehmen. Wir fordern diese Staaten daher auf, Klimaanpassungsmaßnahmen in sogenannten Entwicklungsländern zu unterstützen. Diese Unterstützung muss zusätzlich zu den bestehenden Verpflichtungen zur Entwicklungszusammenarbeit der Staaten erfolgen.

Klimaflüchtlinge anerkennen!

Als Folge der Klimakatastrophe verlieren viele Menschen auch in anderen Staaten ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage oder sogar ihre Heimat. Wir müssen Verantwortung für die Folgen unseres Wirtschaftens übernehmen, diesen Menschen die Einreise ermöglichen und ihnen bessere Perspektiven bieten. Wir fordern daher neben der allgemeinen Forderung nach Öffnung aller Grenzen und guter Versorgung aller Geflüchteten die Anerkennung von Klimafolgen als Grund für Asyl.

Für (Insel-)Staaten, die durch den Anstieg des Meeresspiegels in ihrer Existenz bedroht sind, müssen auf internationaler Ebene Lösungen gefunden werden.

Klimaschutz ist Tierschutz

Die Rodungen von Urwäldern muss gestoppt werden. Nicht nur das Zerstören von Wäldern als Lunge der Welt, sondern auch die oft angewandte Brandrodung, durch die CO2 direkt freigesetzt wird, tragen massiv zum Klimawandel bei. Hinzu kommt, dass Wälder oft gerodet werden, um Zugang zu fossilen Brennstoffen zu erhalten. Diese heizen das Klima zusätzlich an. Die gerodeten Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden, sind oft nicht besonders fruchtbar und leiden unter starker Erosion. Wir fordern daher einen internationalen Einsatz für den Erhalt von Urwäldern. Staaten, die bisher auf die Rodungen angewiesen sind, müssen von der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden, die Wälder nachhaltig zu nutzen. Dabei müssen Klimaverträglichkeit und Artenschutz gewährleistet sein.

Aber nicht nur durch die Rodung von Wäldern wird die Artenvielfalt auf unserem Planeten gefährdet. Auch die Versauerung der Ozeane durch den Anstieg der CO2-Konzentration gefährdet zahllose Meerestiere. Dazu kommen lokale Klimaveränderungen, wie in der Arktis, die den Lebensraum von Tieren gefährden.

Unsere Zukunft – unser Klima

Der Klimawandel wird unsere Zukunft maßgeblich bestimmen. Auch hier in NRW spüren wir schon heute die Folgen. Es liegt an uns, aber vor allem an denen, die heute politisch und wirtschaftlich Verantwortung tragen, die Klimakatastrophe abzuwenden und das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Dabei kann jede*r etwas zum Klimaschutz beitragen. Gemeinsam können wir nicht nur die Klimakatastrophe stoppen, sondern diese Welt auch ein bisschen besser machen. Wir wollen das Vertrauen in eine bessere Zukunft und das gute Leben für alle zurückgewinnen!

 

 

Beschlossen von der Landesmitgliederversammlung am 13./14. Juni 2015 in Hagen



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