3. April 2022

Profite pflegen keine Menschen!



Die Pandemie hat noch mal deutlich gezeigt: Unser Gesundheitssystem hat ein
Problem. Pflegekräfte schieben andauernd Überstunden, Operationen müssen
verschoben werden, Patien*innen können kaum mitbestimmen und an einen
Psychotherapieplatz zu kommen ist fast unmöglich. Gleichzeitig fahren Helios und
Co. Millionengewinne einen.

Durch die schrittweise Privatisierung von Krankenhäusern, die Einführung des
Fallpauschalensystems und den immer schlechteren Pflegeschlüssel wurde es für
private Krankenhausbetreiber immer leichter, Profite auf Kosten unserer
Gesundheit zu machen. Aber Profite pflegen keine Menschen – deshalb braucht es
im Gesundheitssektor eine entschiedene Abkehr von jeder Profitlogik!

Bedarfsgerecht statt pauschal

Seit den 90er Jahren wurde in Deutschland Klinik nach Klinik aus der
öffentlichen Hand in die Privatwirtschaft übertragen. Hintergrund ist nicht bloß
eine neoliberale Logik, nach der das Gesundheitswesen angeblich besser und
effizienter funktioniert, wenn es durch Marktmechanismen bestimmt wird. Zur
Wahrheit gehört auch, dass vielen Kommunen keine andere Wahl blieb, als
Wohnraum, Grünfläche und eben auch Kliniken dem Verkauf freizugeben. So konnten
leere Kassen kurzfristig gefüllt und dem Bankrott konnte entkommen werden.

Langfristig hat die Privatisierung allerdings fatale Folgen. Die Gesundheit der
Bevölkerung wird als Ware auf dem freien Markt gehandelt, mit ihr machen die
Anteilseigner*innen großer Klinikkonzerne tagtäglich Profite. Es werden die
Leistungen angeboten, die sich rentieren. Es werden nur genauso viele
Pflegekräfte eingestellt, wie es zwingend benötigt – oder sogar noch weniger.
Uns ist klar: Mit diesem System muss Schluss sein. Gesundheit ist
Daseinsvorsorge!

2004 erreichte die Idee der Gesundheit als Ware mit der Einführung des
Fallpauschalensystems ihren traurigen Höhepunkt. Seitdem werden nicht mehr die
laufenden Kosten der Krankenhäuser gedeckt, sondern pro Fall ein Pauschalbetrag
ausgezahlt. Gut planbare, teure Eingriffe (wie Hüftoperationen) sind dadurch
lukrativer als die Bereithaltung von selten gebrauchten Intensivbetten und
Intensivpfleger*innen. Eine Orientierung nach tatsächlichen Bedarfen ist mit
diesem System schlicht nicht möglich.

Solidarisch an der Seite von Notruf NRW – Für Pflegekraft und Patient*in!

Um den Profit der Klinikkonzerne so hoch wie möglich zu halten, wird also
gespart, wo auch immer es möglich ist. So sind immer weniger Pflegende für immer
mehr Patient*innen zuständig. Die Folgen sind Überlastung, Ausfälle und
schlechte Versorgung. Wem die viel zu geringe Bezahlung noch nicht zum Ausstieg
aus dem Pflegeberuf gebracht hat, der*die wird spätestens durch die gravierende
Unterbesetzung zum Ausstieg getrieben.

Vielen Pflegenden macht ihr Beruf zwar grundsätzlich Spaß. Aber allein auf das
gute Herz der Pflegekräfte und auf leeren Applaus zu setzen ist fatal und führt
mittelfristig zum Zusammenbruch des Systems. Es fängt schon in der Ausbildung
an. Wir brauchen bessere Ausbildungsbedingugnen, die auch das Patient*innenwohl
und zum Beispiel Diskriminierungen in die Lehrpläne der Pflegeberufe
mitaufnimmt. Außerdem braucht es viel bessere Arbeitsbedingungen inklusive
progressivem Pflegeschlüssel, einer Aufwertung des Pflegeberufes in der
Ausbildung und einem spürbar höheren Lohn.

Wir stehen deshalb solidarisch an der Seite aller Streikenden der Kampagne
“Notruf NRW”, die gerade in 6 Unikliniken im ganzen Land Druck macht. Die
Beschäftigten stehen laut ein für eine echte Entlastung, mehr Personal und eine
bessere Ausbildungsqualität – wir kämpfen an ihrer Seite und schließen uns ihren
Forderungen an! Diese Veränderungen würden direkte Verbesserungen für viele
Beschäftigte und Patient*innen im Gesundheitssektor bringen.

Wieder selbst entscheiden

Gleichzeitig ist uns schmerzlich bewusst, dass die hohe Belastung der
Beschäftigten Folge eines systemischen Problems ist, dass auch nur systemisch
angegangen werden kann. Die Frage, welche Versorgung vor Ort tatsächlich
gebraucht wird, kommt in der Profitlogik großer Klinikkonzerne nicht vor. Das
hat fatale Folgen. Die gesundheitliche Versorgung auf dem Land ist oft
unterirdisch, an manchen Orten fährt man bis zum nächsten Kreißsaal viel zu
lange und auch bei der Psychotherapie sind die Bedarfe bei weitem nicht gedeckt.
Die neuen Pläne zur Krankenhausreform der Landesregierung könnten dieses Problem
noch verstärken.

Um die Versorgung wieder an dem zu orientieren, was tatsächlich gebraucht wird,
braucht es kein zögerliches Gegensteuern. Nur eine Abkehr von der Profitlogik
kann die gravierenden Probleme tatsächlich lösen. Dazu müssen Kliniken zurück in
die kommunale Hand überführt und auskömmlich finanziertwerden. Die Kommunen und
Städte können als kleinste Einheit am besten darüber entscheiden, was vor Ort
gebraucht wird. Eine Stadtgesellschaft könnte sich über die Zustände der
örtlichen Gesundheitsversorgung austauschen und gemeinsam an sinnvollen Lösungen
arbeiten. Die Frage, was vor Ort tatsächlich gebraucht wird, könnte ins Zentrum
der Entscheidung rücken. Davon hätten wir alle etwas – gestalten wir das
Gesundheitssystem neu, rücken wir Patient*innen und Pflegekräfte in den
Mittelpunkt!

Wir fordern:

  • Eine Abschaffung des Fallpauschalensystems
  • Eine deutliche Senkung des Pflegeschlüssels
  • Eine sofortige Erhöhung des Einstiegsgehalts in der Pflege auf 4000 €
    brutto
  • Auskömmliche Finanzierung kommunaler Krankenhäuser
  • Langfristig die vollständige Rekommunalisierung aller Kliniken in NRW


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